Die Kinder schlafen, Freitags sind sie, wie wir, müde von der Woche. Nächste Woche sind dann schon Osterferien und da der Februar dank zweier Quarantänen betreuungstechnisch quasi nicht stattgefunden hat, bedauern wir Eltern das ein bisschen. Kindergarten gibt so einen schönen Rhythmus und die Mädels sind auch viel ausgeglichener, wenn sie sich den Tag über mit anderen Kindern austoben können.

Heute durften sie das Gruppenmaskottchen mit nach Hause bringen (erstmal gewaschen), über die Ferien werden wir nun also dessen Aufenthalt bei uns dokumentieren und am Ende Fotos in ein Heftchen kleben. Ostern steht sowas von vor der Tür, ich habe versucht ein Ei auszublasen, was nicht geklappt hat, aber anmalen werden wir ein paar. Dank Tantes Osterpaket haben wir sogar Eierfarbe zum Färben, die gibt es nämlich hier nicht.

An Ostern werden in Spanien keine Eier gesucht, sondern es gibt an Ostermontag die “Mona de Pascua” ein überdimensional großes Schokoladenei. Wir machen beides, als Auswanderin möchte man seinen Kindern doch auch seine Bräuche und Kultur zeigen, zumindest versuche ich es. Solche Festtage lassen mich immer an das Thema Integration denken und den Vorwurf, sich nicht “genug anzupassen”. Aber nur weil man in einem anderen Land lebt, legt man eben nicht seine Herkunft ab. Da ich im Alltag nicht als “Guiri” auffalle, ist es kein so großes Thema, eher etwas persönliches, im direkten Umgang mit anderen Menschen. Sobald ich spreche, hört man natürlich meinen Akzent.

Es bringt mich immerhin zum Nachdenken, vor allem denke ich an all die Menschen, die auf den ersten Blick gleich als “nicht zugehörig” wahrgenommen werden – ob sie es möchten oder nicht.

Letzten Monat habe ich “Sprache und Sein” von Kübra Gümüşay gelesen und bei twitter wird so viel erklärt, aufgeklärt und geklärt und ich merke, dass ich gar nicht immer mitkomme und oft schäme ich mich, wenn ich erkenne, ja das hast Du früher auch gefragt und gesagt, das war “normal”. Selbst jetzt merke ich manchmal beim Sprechen, nein, das hättest Du so nicht sagen dürfen oder frage mich – war das okay das so zu sagen, soll ich das ansprechen oder hat die andere Person das vielleicht gar nicht wahrgenommen und so drehe ich mich ein bisschen im Kreis.

Dabei gingen wir als Kinder schon auf eine sogenannte “Multikulti”-Schule, haben früh gelernt, dass Rassismus “blöd” ist – aber da ging es immer um körperliche Gewalt, um sichtbare Ausgrenzung, niemals um Wörter, Sätze, Sprache.

Darüber denke ich also nach, dieser Tage.

Die Pandemie läuft im Moment so nebenher und auch nicht, ab und zu schaue ich, wie die Zahlen vor Ort sind, bekomme aber viel mehr aus Deutschland mit als von hier. Irgendwie haben wir uns in einer Art Normalität wiedergefunden, in der wir ständig Risiken einschätzen, abwägen, wen man trifft (fast niemanden) und ruhige Tage ohne weitere Vorkommnisse schätzen gelernt.

Unter dieser Normalität brodelt es aber, kratze ich nur ein bisschen an der Oberfläche, merke ich, wie sehr ich mich zusammenreiße. Es ist hüben wie drüben frustrierend, dass die Wirtschaft gerettet werden soll statt Menschenleben, dass ständig mit laschen Maßnahmen um auszuhaltende Inzidenzen herumgeeiert wird und und und. “Das wird ein Marathon, kein Sprint” hieß es gleich zu Anfang. Ich bin aus der Puste, wie alle.

Persönlich vom Krisenmanagement zweier Staaten abhängig zu sein ist auch nicht so schön. Solange das Risiko zu hoch ist, kann und möchte ich nicht nach Deutschland fahren. Manchmal denke ich natürlich, komm, versuche es doch einfach. Dann schaue ich nach Flügen, rein hypothetisch, und es gibt keine Direktflüge. Und wenn? Zwei Wochen Quarantäne mit Kindern – wo? Bei meiner Familie? Und dann niemanden sehen, während ich ja eigentlich ALLE wiedersehen will? Letzten Sommer, da wäre das gegangen. Da saß aber der Schock noch so tief, da kamen uns die Zahlen so extrem hoch vor – dabei war es viel besser als jetzt (oder?). Da habe ich auf Weihnachten gehofft, im August. Jetzt hoffe ich wieder, im März, auf ein “ganz vielleicht an Weihnachten”.

Und die Kinder? Die sind so gewachsen, da sieht man erst recht, wie die Zeit rennt. Hach.

An dem Punkt kehre ich schnell wieder in meine Pseudo-Normalität zurück, lenke mich mit verkeilten Schiffen und der letztem Staffel “Homeland” ab und warte.