Meer und große Steine

Unterwegs

Schon immer einmal wollte ich mit dem Zug zur spanisch-französischen Grenze bei Portbou fahren. Ich mag diese Orte, ich mag die Idee, bis zur Endstation zu fahren, um zu sehen wie es dort aussieht. Kleine oder verheißungsvoll große Städte, an denen es nicht mehr weitergeht: Norddeich-Mole, Istanbul, Portbou, Ganz-weit-weg, Fernweh. Bis hierhin wurde die Bahnstrecke gebaut, hier hört das Land auf. Oder auch: Nach diesem wichtigen Ort kommen nur noch viele kleine Orte, die nur Einheimische kennen.

Der Zug fährt von Barcelona los und die Landschaft verändert sich langsam. Nach ein paar Stunden blitzen zwischen Felsen und Bäumen die Strände der Costa Brava auf. Im Zug ist es kühl, draußen herrscht, wie überall dieses Jahr in Europa, eine drückende Hitze. Das Wasser glitzert blau und ich bekomme Lust einfach auszusteigen, aber noch sind wir nicht da.

In Portbou ist es so: Viele Menschen mit großen Rucksäcken auf dem Weg nach irgendwohin in Frankreich. Es ist etwas unübersichtlich, denn in Frankreich ist Bahnstreik. Die Frau am spanischen Schalter sagt, sie weiß nicht, ob heute überhaupt noch ein Zug über die Grenze fährt. Der französische Schalter ist nicht besetzt, die Anzeigetafeln ausgeschaltet. “Keine Panik” sollte auf jedem Reiseführer stehen (nicht nur für die der Galaxis). Aus irgendeinem Grund mache ich mir keine Sorgen, eigentlich mag ich die Situation sogar – mit den anderen Reisenden sprechen, überlegen, wie man im Zweifel weiter könnte und vor allem erst mal in das Café am Platz gehen und einen Kaffee trinken.

In der Zwischenzeit bilden sich Reisegrüppchen am “Taxistand”, besser gesagt an der Hauptstrasse. Auf der französischen Seite soll es angeblich weitergehen, mit Bus zur Not, man muss nur über die Grenze kommen. Aus den umliegenden Ortschaften kommen Taxen angerollt und haben einen guten Tag. Zugegebenermaßen wäre ich entspannter, wenn wir ohne Kinder unterwegs wären. Mit den fünfjährigen Zwillingen würden wir aber doch schon gerne heute noch in unserem Hotel ankommen. Der Mann wird nervös, also nehmen wir auch ein Taxi und fahren über die Grenze. Das war also Portbou. Viel gesehen habe ich nicht. Ein paar Schmuggler huschen über den Berg, Walter Benjamin durch meinen Kopf. Die französische Polizei hält Wache. Dann sind wir in Cerbère. Am Bahnhof blättert die Farbe von den Wänden, auf der Anzeigetafel wird der Zug planmäßig angekündigt. Erster Reisetag und schon Unsummen für ein Taxi ausgegeben, aber so ist das wohl.

Die nächste Strecke ist wieder von Endstation zu Endstation, vorbei an ein paar Stränden, durch Lagunen und Salzseen, als ob der Zug auf dem Wasser führe, wie bei Chihiro. Wir fahren vorbei an Weinbergen und Pinienwäldern und sandiger Erde. Die Namen der Örtchen, die wir durchfahren, klingen nach Sommerromanzen und Künstlerkolonien, da hinten muss ein Windsurf-Paradies sein, viele bunte Segel sieht man über das flache Meer ziehen.

Als wir in Avignon aussteigen, ist es heiß, am heißesten, wir eilen ins Hotel und bleiben dort, im Kühlen.

Immerhin haben wir am Abend noch die berühmte Brücke von Avignon gesehen.

Zucker und Achtsamkeit.

Mein Insulin ist alle. Einfach so. Eines Samstagnachmittags wurde ich als (augenscheinlich) gesunder Mensch ins Krankenhaus eingewiesen und drei Tage später mit der Diagnose Diabetes Typ 1 und Insulin im Gepäck wieder entlassen.

Achtsamkeit?

Eigentlich bin ich nicht so ein Achtsamkeits-Wesen. Eigentlich mag ich das Wort auch überhaupt nicht. Aber. Vor der Diagnose habe ich versucht, meinen Zustand mit Achtsamkeit zu bekämpfen. Müde? Wir alle sind müde, ist ja Pandemie. Ich kann mich nicht konzentrieren? Stress, viel Arbeit, Ausnahmesituation, Heimweh. Meine Augen wurden schlechter? Das ist bestimmt die viele Bildschirmarbeit, ständig am Rechner, trockene Augen…So habe ich mich eine geraume Weile dahingeschleppt und gedacht, Du brauchst eine Pause, musst früher ins Bett gehen, achtsamer sein, mal wieder deine Therapeutin anrufen, Sport machen. Mach noch dieses Projekt fertig und halte ein bisschen durch, dann. Dann!

Dann kam der Tag, an dem ich nach einem kleinen Bier am Abend einen seltsamen Kater hatte. Bleischwere Beine, noch mehr Müdigkeit und ein bisschen Kopfweh. Ich bin nichts mehr gewohnt, denke ich mir. Zum Kindergeburtstag einen Tag später gibt es Sekt und Kuchen. Und schon wieder fühle ich mich schlapp und erschöpft. Natürlich, schließlich habe ich noch bis ein Uhr nachts gebacken. Und überhaupt, siehe oben.

Nach Kuchen und Sekt sitze ich mit den Kindern im Arm auf dem Sofa und die Müdigkeit rollt in Wellen über mich hinweg. Als würde das Bewusstsein sich zurückziehen wollen. Ein seltsamer Sog, dem ich nicht nachgeben will. Ich kämpfe dagegen an, ziehe mich vom Sofa hoch und trinke zwei Gläser Wasser auf ex. Und da machte es auf einmal Klick im Kopf.

Von meiner Schwangerschaftsdiabetes habe ich noch das Messgerät, also schleppe ich mich ins Bad und messe: “H1”? Eine Fehlermeldung? Ich messe noch einmal, zweimal, dreimal (mit immer demselben Ergebnis) und suche mir dann im Internet die Bedienungsanleitung von dem Gerät heraus. “H1” ist keine Fehlermeldung – der Blutzucker hat den Messbereich des Gerätes überschritten. Rufen Sie ihren Arzt an, steht da. Also wähle ich die Nummer meiner Lieblingshotline in Spanien, die 061. Dort kann man mit einem Arzt sprechen, der einem dann sagt, ob man ein Fall für die Notaufnahme ist, oder sich einen Termin beim Hausarzt machen soll. Mir kommt es zwar übertrieben vor, da anzurufen, aber wissen will ich es doch. Zehn Minuten später steht der Rettungswagen vor der Tür.

Wie das in so leicht surrealen Situationen ist, habe ich vorbildlich meine Tasche mit Ladekabel, eBook Reader und allerlei Kram gepackt und komme dem irritierten Sanitäter auf der Straße entgegen. Schnell verabschiede ich mich von den Kindern und bin mir sicher, am späten Abend wieder zuhause zu sein.

Stattdessen bekomme ich in der Notaufnahme sofort mehrere Zugänge gelegt, haufenweise Blut abgenommen und hänge drei Tage am Tropf. Mein Blutzucker war bei Ankunft 750mg/dL, also viel zu hoch (normalerweise hat man so um die 100). Die Diagnose ist eindeutig, man müsse noch Tests machen, aber erstmal den Blutzucker wieder in annehmbare Bereiche bringen. Nix Achtsamkeit.

Zucker.

Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, bei der diejenigen Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört werden, die das Insulin bilden. Behandeln kann man das nur, indem man Insulin von außen zuführt, also spritzen (im Gegensatz zu Diabetes Typ 2, wo man mit Ernährungsumstellung viel wettmachen kann). Das bedeutet: Insulin ist für mich lebenswichtig und wird mich von nun an für immer begleiten.

Noch im Krankenhaus versicherte mir jeder: “Man kann damit gut leben!”. Ich würde sagen, jein. Im Vergleich zu anderen chronischen Krankheiten wohl schon. Im Vergleich zu meinem vorherigen Leben ist es ein tiefer Einschnitt.

Nach der Diagnose war ich zunächst erleichtert: Endlich ging es mir wieder gut! Die Müdigkeit der letzten Wochen war verschwunden, ich war voller Energie und froh zu wissen, was los war. Schnell las ich mich schlau, stöberte im Internet und versuchte meinen Blutzucker zu optimieren. Dank diesem Schwung habe viel über Ernährung und meinen Stoffwechsel gelernt und meine ersten Monate als Diabetikerin gut hinter mich gebracht.

Jetzt ist aber die Luft etwas raus. Es ist ein nerviger, umständlicher, blöder Zustand. Weil ich mich jeden Tag neu damit auseinandersetzen muss. Kohlehydrate schätzen, Insulin spritzen, Essen. Schauen, was der Blutzucker mit dieser oder jener Zutat macht. Bisher hatte ich immer das Glück gehabt, mich nie mit Essen beschäftigen zu müssen, mein Gewicht war immer ok, mal ging es fünf Kilo rauf, mal runter, ich habe gegessen wie und was ich wollte. Jetzt lese ich das Kleingedruckte auf Lebensmittel-Verpackungen, wiege mein Essen ab (so gut kann ich noch nicht Kohlehydrate schätzen) und vermeide Blutzucker-Bomben. Und selbst dann klappt es nicht immer so, wie es soll, und das ist frustrierend.

Was zu Hause gut funktioniert, wird auf Reisen (zuletzt in Deutschland) gleich schwieriger. Da trifft dann fehlende Flexibilität auf gut ausgestattete Bäckereien, Döner und Lieblingsessen mit Heimatgefühl. Es ist mühsam, so viel über Essen nachzudenken. Es ist nervig, ständig einen Beutel mit Insulin, Traubenzucker, Messgerät mitzuschleppen. Es überwältigt mich, wenn ich daran denke, dass das ein dauerhafter Zustand sein wird, ein “für immer”, ein ewiges auf medizinische Hilfe angewiesen sein.

Das muss ich mir nicht schönreden und nichts für mich draus lernen. Das muss ich einfach akzeptieren (und das kann ich auch ganz gut). Das habe ich jetzt, ob ich es blöd finde oder nicht.

Hadern tue ich dennoch nicht damit. Mir ist auch egal, woran genau es liegt – ändern wird es an dem Zustand ja nichts. Es geht alles weiter, irgendwie, dann jetzt eben mit Zusatz im Gepäck. Es gibt, zum Glück, wichtigeres.


P.S. Meine Diabetes-Links:
Über Diabetes:
https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Diabetes-Typ-1-erkennen-und-behandeln,diabetes254.html
Rezepte:
https://www.ndr.de/ratgeber/kochen/rezepte/rezeptdb224.html
Wissen:
https://diatribe.org/get-revolutionary-diabetes-book-here-bright-spots-landmines
https://zuckerjunkies.com/
https://www.blood-sugar-lounge.de/

Grundrauschen

Heute morgen hat es geregnet und die Kinder haben sich gefreut. Sie durften die gelben Gummistiefel anziehen und sind mit Papa im Bus zur Schule gefahren (“Das ist lustiger als mit dem Fahrrad”, sagt Juni.) Der Mann hat sich ein bisschen geärgert, weil ziemlich schnell die Sonne herauskam und der Bus unangenehm voll war.

Ansonsten habe ich versucht, nicht an Corona zu denken, oder nicht darüber nachzudenken, aber das klappt nicht so gut, das ist ja wie so ein Grundrauschen, das ist einfach überall. Keine Nachrichten lesen, das ginge wohl, aber ich bin nicht so diszipliniert, das alles ausblenden zu können. Immerhin gibt es immer mehr schöne Impfnachrichten, es freut mich so sehr zu hören, wenn hier und da und dort ein Elter oder beide geimpft werden, es geht doch langsam, langsam voran.

Seit letzter Woche hat hier der Frühling zugeschlagen und ich habe Heuschnupfen und vor allem Husten, was mich sehr ärgert, weil ich bis vor fünf Jahren nichts mit Allergien zu tun hatte. Der Ausflug ins Grüne vor einer Woche hat mir dann den Rest gegeben, die Nase ist schon wieder besser, aber trotzdem huste ich auf eine Weise herum, dass ich mir draußen gerne ein Schild umhängen würde “Das ist nur die Allergie!”. Beim Arzt habe ich extra nochmals nachgefragt, ob sie das sicher nicht als Corona-Symptome einstuften, aber die waren ganz entspannt. Erstens fliegt hier gerade Pollen-Hinz und Kunz durch die Luft, zweitens war ich schon einmal infiziert (auch wenn es länger als sechs Monate her ist), drittens keinen wissentlichen Kontakt und viertens keine weiteren Symptome. Trotzdem ist es blöd, so eine Allergie ist eher unschön. Außerdem vergesse ich sie die ganze Zeit und finde mich dann auf einer Brache voller Gräser und Blumen wieder oder eben in besagter Natur letzten Sonntag.

Wir haben aber schöne rote Mohnblumen gepflückt, um sie vorm Mähen zu retten und jetzt welken sie langsam, aber immer noch schön Rot auf unserem Terrassentisch vor sich hin. Laut den Kindern sind sie sogar ein bißchen gewachsen. Die beiden finden den “Garten” sehr schön, denn wir da gesammelt haben.

Wie immer sind die Mädchen herzallerliebst und zucker, kann man nicht anders sagen. Es wird gezankt, aber auch ganz wunderbar gespielt, endlich endlich!

Zur Nacht gab es heute ein seltenes Telefonat mit der Besten, wir alle haben ja dank Kindern und pipapo noch weniger Zeit, darum war das umso schöner. Und es ging nicht nur um das große C, auch wenn das wieder so grundreingerauscht kam. Wir haben uns für den Sommer in Deutschland verabredet und jetzt hoffe ich einfach mal, dass das realistisch bleibt. So lange habe ich noch nie jemanden nicht gesehen, und sie erst recht nicht.

Donnerstag

Wir hatten heute Zeit, zum Mittagessen in der Sonne zu sitzen. Solche kleinen Momente genieße ich im Moment sehr. Arbeit war heute auch gut, alles ist wieder unter Dach und Fach – wenn die Osterferien vorbei sind, bleibt der Kindergarten bleibt bis zum Sommer hoffentlich einfach mal offen, ohne Quarantäne. Das wäre schön.

Ostern ist schon verplant, das Wetter lädt zu Draußen-Begegnungen ein und der Mann muss mal wieder Menschen sehen. Das ganze letzte Jahr haben wir hauptsächlich unsere Corona-Freunde gesehen, ich habe mich dazu vielleicht vier-fünfmal mit einer (immer derselben) Freundin zusätzlich getroffen. Das reicht, um sich auszutauschen und ein paar Themen loszuwerden und ein bisschen Austausch. Dazu noch ein paar Telefonate und so komme ich mehr oder weniger gut durch diese Zeit. Da ich noch nie ein Gruppenmensch war, fällt mir zumindest dieser Teil nicht so schwer. Trotzdem fehlt mir noch mehr Input, echter, menschlicher. Im Internet herumlesen ist einerseits gut, weil man merkt, man ist nicht alleine, aber puuuh, das kann einen auch runter ziehen. Wie es wohl wird, wenn man das erste mal wieder mehr als fünf Menschen gleichzeitig sieht?

Wir sind zum Grillen eingeladen, in die Natur und mit Hühnern im Hof, das wird sicher schön für die Mädels. Da kann man auch Abstand halten. Der Mann und die Kinder können ja immer noch auf Immunität hoffen, auch wenn man nie so genau weiß, aber es beruhigt einen schon ein bisschen. Bei mir ist es jetzt bald fünf Monate her und ich wüsste ja echt gerne, ob da noch irgendeine Form von Schutz ist.

Manchmal bekomme ich Angst, dass es gar nicht besser wird, oder alles noch viel länger dauert und dass diese Zeit, deren Ende wir herbeisehnen, dann im Vergleich eigentlich als “gute Zeit” durchgehen würde. Als Corona los ging sagte mir eine Freundin während der Ausgangssperre: “Den letzten Sommer fand ich so doof, ich war so unglücklich und alles war so langweilig und jetzt merke ich erst, wie schön er trotz allem eigentlich war…”. Also versuche ich, inmitten dieser Krise weiterhin die kleinen und großen schönen Momente zu genießen und in den Tag hinein zu leben. Planen kann man ja sowieso nichts.

Morgen gibt es also Osterbäckerei mit den Kindern, da freue ich mich drauf. Junikind möchte seit Weihnachten beim Backen immer “In der Weihnachtsbäckerei” hören, also wird es so mäßig österlich.

Mittwoch

Heute habe ich viel Zeit damit verbracht WP-Themes auszuprobieren, aber irgendwas ist ja immer, also bleibt es erstmal dabei. Ansonsten verging der Tag mit viel Arbeit am Computer, die Kinder waren den ganzen Tag mit den Yayos unterwegs und sonst ist nicht viel passiert.

Unsere Putzhilfe war da und alles ist so wunderschön sauber, ich bin ihr dankbar und sehr froh, dass wir uns das gerade leisten können.

Die Zeitumstellung macht uns zu schaffen, wir kommen alle schlecht aus dem Bett morgens. Mein guter Vorsatz, konsequent die Stunde früher aufzustehen, hat bisher nicht geklappt, vielleicht morgen. Wie jedes Jahr bin ich genervt davon, wo doch in Spanien eh schon nicht die “richtige” Zeit herrscht – eigentlich läuft der Greenwich-Meridian genau hier durch und wir müssten wie Großbritannien oder Portugal noch eine Stunde früher dran sein als in Deutschland. In Winterzeit plus Greenwich-Zeit wäre es also erst 21:10 und so gesehen sind wir ja rechte Frühaufsteher, wenn wir in “Echtzeit” sechs Uhr aufstehen, auch wenn die Uhr uns im Sommer acht anzeigt. So tröste ich mich über meine Schläfrigkeit hinweg. Der Gedanke ist auch eine gute Erklärung dafür, warum in Spanien tendenziell später gegessen wird, Schule fängt meist auch erst um neun Uhr an und so weiter. Das ganze Land ist also um eine Stunde verschoben. Ausgedacht hat sich das der Herr Franco, der gerne die deutsche Zeit haben wollte, das könnte man meiner Meinung nach auch einfach mal wieder abschaffen.

Dienstag

Heute haben wir erfolgreich mehrere Punkte von unserer To-Do-Liste abgehakt:

  • Die Mona de Pascua ist gekauft (und vom Mann als spanischem Oster-Experten für gut befunden) worden. Juhu!
  • Kinderfahrräder wurden ausgesucht (rosa, da ließen sich die Mädels nicht von abbringen). Im Laden, wo wir die Exemplare ursprünglich gesehen hatten, waren sie ja schon ausverkauft, aber mein Mann hat keine Kosten und Mühen gescheut und noch zwei Exemplare aufgetrieben. Die Räder gibt es dann aber erst zum Geburtstag.
  • Arzttermin gemacht, mir sind so Telefonate ja immer lästig.

Einfach nur so habe ich mir bei den Besorgungen noch einen schönen Frühlings-Osterstrauß gegönnt, der laut Juni so gut nach Seife riecht. Ihr ging dann ein Licht auf, als wir ihr erklärten, das es genau umgekehrt ist und es war sehr süß.

Wo ich schon im Oster-Rausch war, habe ich noch Bastelzeugs erstanden und hoffe, mit den Kindern noch etwas Zeit zu finden. Ich wäre so gerne eine Bastelmama, aber irgendwie gehen die Tage auch so schon viel zu schnell vorbei. Spätestens Karfreitag wird gebastelt, hoffentlich.

In der Stadt bin ich auf ein paar Playmobil-Osterszenen gestoßen, die mich amüsiert haben. An Ostern werden so ähnliche Altare(?) durch die Stadt getragen, nur in lebensgroß und sehr sehr schwer.

Die Piratenhunde sind eingezogen

Buchcover - Els gossos pirata
Kinderbuch: Els gossos Pirata

Wir lesen seit letzter Woche ein sehr schönes Kinderbuch namens “Els gossos pirata” – Die Piratenhunde, und ich bin Fan. Es gibt sieben Kapitel, jedes zu einem Wochentag, heute war also “Dienstag” dran. Die Texte sind schön geschrieben, die Kapitel kurz und einfach und genau richtig zum Einschlafen. Die Piratenhunde versuchen eine Woche lang, den Dreimaster von den Kapitäninnen Herminia, Salvadora und Perpetua zu erobern um endlich an etwas zu essen zu kommen, weil ihnen die Vorräte ausgehen. Der Koch verzweifelt immer mehr, während die drei Mädchen vollkommen unbeeindruckt von dem wilden Piratengehabe der Hunde sind. Mehr verrate ich nicht 😉 Wir lesen es jetzt schon die zweite Woche, bei den Kindern kommt es also auch gut an. Ausgesucht hat sich das Buch Juni ganz alleine im Buchladen, vielleicht wird sie ja auch mal so eine Leseratte wie ich, die Spürnase für gute Bücher hat sie jedenfalls schon.

Beim Vorlesen habe ich versucht, simultan zu übersetzen, was bei diesem Buch langsam schwierig wird, zumindest wenn man den Anspruch hat, auch den Witz und den Tonfall zu treffen. Da sind die kleinen Babybücher einfacher zu erzählen-übersetzen. Heute abend habe ich das Buch dann einfach auf katalanisch vorgelesen oder eher radegebrecht, da bin ich einfach immer noch nicht flüssig. Die Kinder haben es aber anscheinend verstanden, trotz enormen deutschen Akzents.

Alles okeh, Kartoffelpüreh.

Montag

Heute kam ein Paket mit Saatgutkonfetti, das die Kinder und ich noch schnell schnell vorm Abendessen ausgesät haben, jetzt stehen also ein paar kleine Experiment-Blumentöpfe auf der Fensterbank.

Nach dem Mittagessen wollten wir heute die “Mona de pascua” für die Mädels aus der Konditorei abholen, aber huch, hat die Montags geschlossen und so haben wir eine Runde umsonst in die Innenstadt gemacht. Die Stunde, die das gedauert hat, hat mir dann bis Feierabend gefehlt, also saß ich eben noch am Rechner. Und morgen müssen wir (oder einer von uns) dann wirklich die Mona holen, sonst ist auf einmal Feiertag, man kennt das ja. Außerdem wollte ich mich beim Bastelladen vorbei und ich sehe schon, dass damit morgen wieder mindestens eine Stunde wertvolle Arbeitszeit flöten geht…nunja.

Auf dem Weg zur Konditorei kamen wir an mehreren “Mona”-Varianten vorbei, im Bild oben sieht man die Kuchen-Variante. Mein Favorit ist der weiße mit dem draufgesetzen Nutellglas 😀

Später waren wir mit den Kindern im Fahrradladen und wollten ein Rad mit Pedalen ausprobieren, das wir da letztens gesehen hatten, die waren aber schon ausverkauft. Die Firma muss erst nachbauen und das dauert länger als bis zum Geburtstag. Hat also auch nicht geklappt.

Basteln würde ich mit den Kindern auch noch gerne und so fängt diese Woche mit vielen hätte, könnte, sollte an. Montag halt.

(Mit dem Handy lässt es sich ja schrecklich schreiben hier in WP, also hoffe ich auf nicht allzuviele Tippfehler, man nehme Nachsicht bitte)

Abendstunden

Die Kinder schlafen, Freitags sind sie, wie wir, müde von der Woche. Nächste Woche sind dann schon Osterferien und da der Februar dank zweier Quarantänen betreuungstechnisch quasi nicht stattgefunden hat, bedauern wir Eltern das ein bisschen. Kindergarten gibt so einen schönen Rhythmus und die Mädels sind auch viel ausgeglichener, wenn sie sich den Tag über mit anderen Kindern austoben können.

Heute durften sie das Gruppenmaskottchen mit nach Hause bringen (erstmal gewaschen), über die Ferien werden wir nun also dessen Aufenthalt bei uns dokumentieren und am Ende Fotos in ein Heftchen kleben. Ostern steht sowas von vor der Tür, ich habe versucht ein Ei auszublasen, was nicht geklappt hat, aber anmalen werden wir ein paar. Dank Tantes Osterpaket haben wir sogar Eierfarbe zum Färben, die gibt es nämlich hier nicht.

An Ostern werden in Spanien keine Eier gesucht, sondern es gibt an Ostermontag die “Mona de Pascua” ein überdimensional großes Schokoladenei. Wir machen beides, als Auswanderin möchte man seinen Kindern doch auch seine Bräuche und Kultur zeigen, zumindest versuche ich es. Solche Festtage lassen mich immer an das Thema Integration denken und den Vorwurf, sich nicht “genug anzupassen”. Aber nur weil man in einem anderen Land lebt, legt man eben nicht seine Herkunft ab. Da ich im Alltag nicht als “Guiri” auffalle, ist es kein so großes Thema, eher etwas persönliches, im direkten Umgang mit anderen Menschen. Sobald ich spreche, hört man natürlich meinen Akzent.

Es bringt mich immerhin zum Nachdenken, vor allem denke ich an all die Menschen, die auf den ersten Blick gleich als “nicht zugehörig” wahrgenommen werden – ob sie es möchten oder nicht.

Letzten Monat habe ich “Sprache und Sein” von Kübra Gümüşay gelesen und bei twitter wird so viel erklärt, aufgeklärt und geklärt und ich merke, dass ich gar nicht immer mitkomme und oft schäme ich mich, wenn ich erkenne, ja das hast Du früher auch gefragt und gesagt, das war “normal”. Selbst jetzt merke ich manchmal beim Sprechen, nein, das hättest Du so nicht sagen dürfen oder frage mich – war das okay das so zu sagen, soll ich das ansprechen oder hat die andere Person das vielleicht gar nicht wahrgenommen und so drehe ich mich ein bisschen im Kreis.

Dabei gingen wir als Kinder schon auf eine sogenannte “Multikulti”-Schule, haben früh gelernt, dass Rassismus “blöd” ist – aber da ging es immer um körperliche Gewalt, um sichtbare Ausgrenzung, niemals um Wörter, Sätze, Sprache.

Darüber denke ich also nach, dieser Tage.

Die Pandemie läuft im Moment so nebenher und auch nicht, ab und zu schaue ich, wie die Zahlen vor Ort sind, bekomme aber viel mehr aus Deutschland mit als von hier. Irgendwie haben wir uns in einer Art Normalität wiedergefunden, in der wir ständig Risiken einschätzen, abwägen, wen man trifft (fast niemanden) und ruhige Tage ohne weitere Vorkommnisse schätzen gelernt.

Unter dieser Normalität brodelt es aber, kratze ich nur ein bisschen an der Oberfläche, merke ich, wie sehr ich mich zusammenreiße. Es ist hüben wie drüben frustrierend, dass die Wirtschaft gerettet werden soll statt Menschenleben, dass ständig mit laschen Maßnahmen um auszuhaltende Inzidenzen herumgeeiert wird und und und. “Das wird ein Marathon, kein Sprint” hieß es gleich zu Anfang. Ich bin aus der Puste, wie alle.

Persönlich vom Krisenmanagement zweier Staaten abhängig zu sein ist auch nicht so schön. Solange das Risiko zu hoch ist, kann und möchte ich nicht nach Deutschland fahren. Manchmal denke ich natürlich, komm, versuche es doch einfach. Dann schaue ich nach Flügen, rein hypothetisch, und es gibt keine Direktflüge. Und wenn? Zwei Wochen Quarantäne mit Kindern – wo? Bei meiner Familie? Und dann niemanden sehen, während ich ja eigentlich ALLE wiedersehen will? Letzten Sommer, da wäre das gegangen. Da saß aber der Schock noch so tief, da kamen uns die Zahlen so extrem hoch vor – dabei war es viel besser als jetzt (oder?). Da habe ich auf Weihnachten gehofft, im August. Jetzt hoffe ich wieder, im März, auf ein “ganz vielleicht an Weihnachten”.

Und die Kinder? Die sind so gewachsen, da sieht man erst recht, wie die Zeit rennt. Hach.

An dem Punkt kehre ich schnell wieder in meine Pseudo-Normalität zurück, lenke mich mit verkeilten Schiffen und der letztem Staffel “Homeland” ab und warte.

Maßnahmenpakete

Für die Zeit während dieser Pandemie erlassen wir folgende auf subjektiv-basierter Evidenz getroffene Maßnahmen:

BHs sind ab sofort aus dem Alltag zu verbannen und nur noch bei besonderen Gelegenheiten zu benutzen. Eine besondere Gelegenheit kann sein: Ein längerer Aufenthalt draußen mit ggf. Ablegen der Jacke, der Wunsch nach prä-pandemischer Unbequemlichkeit oder weil man den dringenden Wunsch danach verspürt.

Wir verzichten auf eine Frisur und versuchen uns kurz vor dem nächsten Video-Telefonat die Haare irgendwie so zu richten, dass man nicht aussieht als wäre man seit 10 Monaten nicht beim Friseur gewesen (was zutreffend ist).
An dieser Stelle erinnern uns daran, dass Zoom uns spiegelverkehrt anzeigt und alle anderen Menschen uns aber richtig herum angezeigt bekommen. Es ist kompliziert.

Sie dürfen sich ruhig eingestehen, dass sie einige gängige Schönheitspflege-Gewohnheiten nicht “einfach nur für sich” machen. Sie können diese natürlich fortführen, es lässt sich aber auch gut ohne sie leben.

Der Blick aus dem Fenster soll müden Augen eine Ablenkung von den drei gängigen Bildschirmgrößen bieten. In Anbetracht eines seit Monaten immer gleichen Blickes vom Heimarbeitsplatz aus kann man zur Abwechslung auch einen Blick aus dem Küchenfenster werfen und sich gleich einen Tee dazu kochen.

Ausmisten ist verboten. Insbesondere während einer Ausgangssperre ist es nicht ratsam, Kleidung auszusortieren. Sowohl Winterjacken als auch Schuhe, schöne Kleider und Blusen sind für post-pandemische Zeiten aufzubewahren. Unbequeme Hosen können wir aber sicher für immer aus unserem Kleiderschrank verbannen.

Beginnen Sie unverzüglich, einen Vorrat an Seifenblasen, Wunderkerzen, Luftballons, Bastelsachen und kleineren Überraschungen anzulegen, um dem nächsten Lagerkoller der Kinder entgegenzuwirken.
Hinweis für die Erwachsenen: es empfiehlt sich, einen kleinen Vorrat Schokolade und Wein (wer mag) zu Hause zu haben, jedoch sei vor dem übermäßigen Genuss derselben gewarnt.

Versuchen Sie, nicht ständig ins Nachbarfenster zu schauen. Der Kirchturm ist auch schön. Sie werden sowieso bald alles über den Tagesrhythmus ihrer Sicht-Nachbarn wissen und diese über den ihren. Gewöhnen sie sich dran.

Machen sie es sich so schön, wie es geht, aber schrauben sie ihre Ansprüche an „schön“ herunter. Es reicht, wenn Sie und ihre Familie es nett miteinander haben, Perfektion ist fehl am Platz. Sie müssen noch eine Weile durchhalten.

Bleiben Sie um Himmels willen zuhause, wenn sie Schnupfen haben (hergottnochmal), ohne einen Test können sie Corona NICHT von einer normalen Erkältung unterscheiden. Zumindest, wenn sie im Hochrisikogebiet leben. Danke.

Sie können eine Nähmaschine kaufen, wenn Sie das möchten, das heißt aber nicht, dass sie sie auch benutzen. Denken sie an die zwei Kleinkinder und neue Bürosituation.

Haben sie Geduld. Viel Geduld.

Mehrere Kinderbücher und eine Postkarte. Auf der Postkarte steht: Ich denk an dich. Die Kinderbücher sind: Für Hund und Katz ist auch noch Platz und Die Schnecke und der Walfisch von Axel Scheffler und Julia Donaldson. Diese Kinderbücher haben wir während der Quarantäne geschenkt bekommen

Ich denk an Dich

Seit ich meine Lieben in Deutschland so lange nicht gesehen habe, habe ich viele wunderbare Pakete und Päckchen bekommen: Von einer Arbeitskollegin, von meiner Tante, von der besten Freundin, von meinen Eltern, zum Kindergeburtstag, zu Ostern, als Quarantäne-Gruß.

Bei WhatsApp schicken wir Fotos hin und her, wir telefonieren mit und ohne Video. Es kommen mal besorgte Anrufe von der Familie (wenn Spanien mal wieder Risikogebiet wird) oder Fragen von den Kollegen, kleine, liebe Mails. Kunden wünschen alles Gute und hoffen, dass wir alle gesund bleiben. Mit meinen Freunden hier fragen wir auch viel häufiger nach: Wie geht es Dir? Cómo lo llevas?

Und die Antworten sind nicht mehr nur einfach “Gut, danke”, sondern alle erzählen ein bisschen was von sich. Wie die Situation gerade bei ihnen ist, ob die Sorgen zur Angst werden und wie man den Alltag schafft, mit Kindern, mit Schule, mit Quarantäne. Bei all der Distanz, die wir einzuhalten haben, scheint es, als ob wir innerlich einander näher rücken. Wir sind ein bisschen offener füreinander geworden und sensibler für die vielen Auf-und-Abs, die jeder, in seinem eigenen Rhythmus, durchläuft.

Das Wörtchen gut hat in diesem Jahr viele neue Bedeutungen bekommen:

Während der Ausgangssperre hieß “gut”, dass wir gesund waren, uns nicht in die Haare kriegen und die Kinder einmal am Tag gelacht haben. Dieses gut wäre zu anderen Zeiten aber ein schlecht gewesen oder höchstens ein geht so, jetzt geht es uns also seit über einem Jahr gut und alle wissen, was gemeint ist. Irgendwo las ich letztens den Begriff “pandemic fine”, das scheint also eine Sache zu sein. In geschäftlichen E-Mails ist der Ton etwas persönlicher geworden, wir schreiben “take care” und bleibt gesund, alle sind etwas offener geworden – schon allein dadurch, dass ich meine Kunden benachrichtige, dass ich diese Woche die Kinder in Quarantäne habe (ja, schon wieder) und meine Arbeitszeiten sich ändern, gibt es auf einmal mehr Raum für Privates. Das hat etwas schönes, menschliches in einen Teil meines Arbeitsalltags gebracht.

Fast habe ich das Gefühl, ständig denken alle an alle. Ich mache mir Gedanken, wie es der alleinlebenden Freundin geht, der Großtante in ihrem Häuschen auf dem Land, wie hart der Lockdown die mit dem dritten Kind hochschwangere Freundin trifft oder die alleinerziehende Mutter. Wer steht in so einer Situation besser da, gäbe es eine Lebenssituation, in der ich jetzt besser zurecht käme? Aber am Ende geht es uns allen, jeder auf ihre Weise eben “gut”, also schlecht, wir halten durch und sind müde vom Alleinsein, vom ständig-zusammen-sein, vom Warten, vom achten PCR-Test der Kinder (negativ), von den Maßnahmen, die umgesetzt und noch mehr von den Maßnahmen, die nicht umgesetzt werden.

Wir sind mit der Gesamtsituation unzufrieden, könnte man sagen, es nervt mich, dass wir immer noch Risikogebiet sind, eine Welle die nächste ablöst und ich meine Familie immer noch nicht besuchen kann oder nur mit enormen Aufwand. Der Flugplan schiebt sich immer wieder einen Monat nach hinten, es gibt keine Flüge und ich möchte eigentlich auch gar nicht fliegen, aber meine Familie würde ich gerne sehen.

In einem Jahr sind die Kinder so gewachsen, sie werden bald vier und es tut mir weh, daran zu denken, was meine Mama und Papa verpasst haben. Das letzte Mal waren die beiden noch fast Babies (naja, klein halt), auf den Fotos sind sie noch ganz rund und speckig und heute springen und klettern hier zwei richtige Kinder herum.

Aber noch schicken wir uns weiter Herzchen und Fotos und ich erzähle den Kindern von der Oma und dem Opa in Deutschland und frage, ob sie sich noch erinnern an das Freibad, an den Tannenbaum und das Feuerwerk an Silvester. Sie erzählen mir kleine Geschichten, die wir erlebt haben und fragen wann wir wieder zu Oma können, und ich sage, wenn der “kleine Husten” vorbei ist. So haben wir den Virus getauft,weil er ein gefährliches kleines Ding ist, welches den Leuten in den Mund hüpft und Husten bringt, aber das ist eine andere Geschichte.

Bis dahin schicken wir weiter Herzchen und Bilder und denken aneinander.

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