Meer und große Steine

Schlagwort: Zwillingsgeburt

Die erste Woche mit Zwillingen – ein Rückblick

Als die Zwillinge gerade geboren waren, und alles neu, schlaflos und aufregend war, hat es uns jeder gesagt: Die Zeit vergeht so schnell, genießt es! Wir haben es genossen und genießen es noch immer, aber ich muss sagen: Die ersten zwei Monate waren verdammt anstrengend. Wir mussten uns aneinander gewöhnen und versuchen, den Alltag zu meistern.

Irgendwann um den dritten Monat herum wurde es auf einmal leichter: Mehr Schlaf, mehr Routine, mehr Gespür füreinander. Jetzt sind die Zwillinge längst keine winzigen Säuglinge mehr, sondern richtige Babies. Und ja, die Zeit ist so! schnell vergangen! Wie immer, wenn die Babies einen kleinen Geburtstag haben, erinnere ich mich an die erste Woche zu viert…

“La Bessonada”

Auf die schwierige Geburt folgten anstrengende Wochen. Davon war die erste sicher die schwierigste. Zwei Tage lag ich auf der Intensivstation und konnte meine Babies nur auf den Fotos sehen, die der Mann mir zeigte. Die ersten zwei Tage in ihrem Leben habe ich verpasst. Es gab keinen kuscheligen Stillbeginn mit Haut-an-Haut-Kontakt, sondern Fläschchen für sie und Milchpumpe für mich. Der Mann pendelte zwischen mir und den Babies hin und her und hielt meine Familie und die beste Freundin in Deutschland auf dem Laufenden. Erst nach 36 Stunden, als er wusste, dass ich außer Gefahr war, konnte er etwas schlafen.

Aber die Babies mussten ja auch versorgt werden! Alle drei Stunden kamen die Kinderkrankenschwestern und brachten die Fläschchen. Die Großeltern und Tanten kamen, um zu helfen. Währenddessen wartete ich darauf, endlich meine Mädchen in die Arme zu schließen.

Bekannt als “La Bessonada” waren wir fester Bestandteil des Krankenhaustratsches (das katalanische Wort für Zwillinge ist bessons, also könnte man den Begriff grob mit “die Zwillingerei” übersetzen). So eine dramatische Geburt, die Mutter immer noch auf der Intensiv und die zwei Neugeborenen mit dem Vater auf der Kinderstation, das spricht sich herum.

Alle nahmen Anteil, von der Putzfrau bis zum Oberarzt. Die Kinderkrankenschwester kam zu mir, um nach der “Mami von den zwei Schönen” zu schauen und zu sagen, dass es ihnen gut geht und sie auf mich warten. Die Hebamme, welche mich bei der Geburt begleitet hatte, schickte eine Freundin vorbei, die gerade Dienst hatte (sie selbst kam bei ihrem nächsten Dienst natürlich auch). Die Ärztin, die den Kaiserschnitt gemacht hatte und der Arzt, der mich durch die letzten Wochen der Schwangerschaft betreut hatte, kamen natürlich. Alle waren sehr herzlich und liebevoll und machten uns Mut.

Eine schrecklich schöne Woche

“Ein Mann hätte das nicht geschafft. Aber diese frischgebackenen Mütter haben etwas in sich…” sagt der Arzt, als er mich endlich von der Intensivstation entlässt. Ob es wirklich geholfen hat, dass ich meine Babies noch einmal kurz sehen konnte, bevor die Narkose wirkte? Am Nachmittag des zweiten Tages darf ich jedenfalls endlich zu ihnen. Ein Pfleger schiebt mich im kollernden Bett durch die Flure zum Aufzug. Ich bin aufgeregt und nervös. Als wir ins Zimmer kommen, wartet mein Mann auf mich. Die Babies werden gerade gewogen und gebadet. Im ersten Moment bin ich etwas enttäuscht und unruhig, dann hören wir schon Geschrei und die klappernden Bettchen im Flur.

Kamen beide gleichzeitig herein oder nacheinander? Ich weiß nur noch, daß ich ziemlich schnell beide an der Brust hatte und meine kleine Erstgeborene seit dem Moment nicht mehr von meiner Seite wich. Die erste Nacht mit den beiden habe ich fast nicht geschlafen, so aufgeregt war ich. Ständig musste ich diese kleinen Wunderwesen betrachten und bestaunen.

Die weiteren Tage im Krankenhaus waren irgendwie schrecklich, absurd und wunderschön. Schrecklich, weil ich überall Schläuche hatte, die Narbe schmerzte und ich mich kaum bewegen konnte. Ständig musste mir jemand die Babies anreichen und mir helfen, mich in Stillposition zu bringen. Mich schmerzte, dass ich nicht die Kraft hatte, die beiden selber zu wickeln, auch wenn das Papa, die Krankenschwester oder die Tante super erledigt haben.

Eigentlich wollte ich nur mit den beiden alleine sein, stattdessen gab es im Krankenhaus-Alltag kaum Ruhepausen. Alle drei Stunden Fläschchen, dazwischen Visite für mich, für die Babies, Frühstück, Babies wiegen und baden, waschen und Medikamente für mich, netter (und weniger netter) Besuch, Mittagessen, wickeln…so ging es Tag und Nacht weiter. Dazu schwitzte ich vor mich hin, die Sonne knallte ins Zimmer und man konnte die Fenster nicht öffnen. Also alles andere als schön.

Absurd, weil einige Situationen so doof waren, dass wir nur noch ungläubig lachen konnten. Es gab sehr nette Kinderkrankenschwestern (meistens die jungen) und die abgebrühten Nachtschwestern alter Schule mit ruppigem Griff und strengem Gesicht. Mit letzteren stritten wir uns, wenn die Babies ihre Fläschchen nicht ausgetrunken hatten – obwohl ich ja bereits stillte. Die andere Mutter, die für zwei Stunden das Zimmer mit uns teilte: Drei Neugeborene und zwei Elternpaare in einem Raum, dazu mein desolater Zustand und Besuchszeit. Grauenhaft! Am Nachbarbett eine frischgebackene Oma und eine von der Geburt erschöpfte Mama, während ich noch nichtmal alleine auf Toilette gehen kann. Stichwort Bettpfanne. Mehr muss man nicht sagen. Sämtliches Pflegepersonal hat sich bei uns (und sicher auch bei ihr) entschuldigt, als sie später auf ein freies Zimmer verlegt wurde. Das war definitiv der Tiefpunkt. Es war so dermaßen blöd alles, dass wir irgendwann nur noch darüber lachen konnten.

Wunderschön. Da waren meine Babies, der Mann und ich, alle vier. Gesund und froh, zusammen zu sein. Trotz des ganzen Trubels um uns herum hatten wir ab und zu Momente, in denen die Zeit kurz still stand. Ein leises Gespräch mit den schlafenden Babies auf dem Arm. Die Stunde am frühen Morgen, bevor der Tag losging. Der Mann, der jede Nacht auf dem unbequemen Krankenhaussessel neben mir schlief. Das hat uns durch die ganze Woche getragen und begleitet mich noch heute.

Home sweet Home

Und dann, ganz plötzlich wurde ich entlassen, wirklich, von einem Tag auf den anderen. Erst einen Tag vorher hatte ich das erste Mal wieder geduscht und ein paar Schritte gemacht. Und dann hieß es: Wenn du bereit bist, könnt ihr nach Hause. Nichts wollte ich lieber. Endlich raus aus dem Krankenhausbett mit der Plastikmatratze, dem muffigem Zimmer und bloß weg von den Nachtschwestern mit ihren Alle-drei-Stunden-Fläschchen. Trotzdem ergriff uns Panik: Hatten wir alles zu Hause, was wir brauchten?

Während meine Schwägerin mir half, unsere Sachen zu packen, raste der Mann in die Stadt um den Windelvorrat aufzustocken und unsere Ankunft vorzubereiten. Den Weg zum Auto und nach Hause schaffte ich nur mithilfe von drei zuckerigen Limonaden und vielen Pausen, so wackelig war ich auf den Beinen. Im Nachhinein betrachtet klingt es etwas irre, aber in dem Moment wollten wir so schnell es geht heim. Dort erwartete uns das Chaos. Eine Woche vorher waren wir stürmisch Richtung Krankenhaus aufgebrochen und hatten alles stehen und liegen lassen. Dazwischen war der Mann nur zum Duschen und Babysachen holen hergekommen.

Tja, da saßen wir nun, zwischen Windelpaketen und Krankenhaustasche, mit den beiden winzigen Babies im Arm. Und atmeten auf.

Die Geburt (Teil 1): Meine Zwillingsmädchen sind da!

Meine Babies liegen neben mir auf dem Sofa und machen Siesta. Die letzten Wochen sind rasend schnell vergangen, obwohl die Tage schlaftrunken dahinschlichen. Ich blicke zurück auf eine turbulente Geburt, in einem anderen Land und mit gleich zwei Happy Ends.

Die letzten Schwangerschaftswochen

Mein Bauch wuchs und wuchs und konnte einem wirklich Angst machen. Meine Mädchen hatten kaum noch Platz darin, Juni drückte ihren Hintern heraus und machte aus meinem ehemals runden Bauch einen unförmiges riesiges Etwas.

In diesen letzen Tagen der Schwangerschaft hätte ich mir etwas mehr Betreuung gewünscht: die Kontrollen waren weiterhin “nur” einmal wöchentlich und der Arzt wollte eine weitere Woche abwarten, bevor über eine Einleitung entschieden würde. Jeden Tag hoffte ich, dass sie sich auf den Weg machen. Anzeichen für eine bevorstehende Geburt gab es allerdings keine, der Bauch wurde immer größer und ich schleppte mich weiter durch die Welt.

Ihr Kinderlein, kommet!

Zwischen Spazierengehen und beckenkreisend auf dem Gymnastikball sitzen zogen sich die letzten Tage dahin. Nichts passierte. Also setzte ich mich doch nochmal an den Rechner und erledigte allerlei liegengebliebenen Kleinkram. Vielleicht wären wir drei erst bereit, wenn wirklich alles erledigt war? Endlich verschickte ich die letzte E-Mail und hatte nun das Gefühl: Jetzt dürfen sie kommen, die zwei. Aber bitte sofort!

Am nächsten Tag war mir dann auch gleich etwas unwohl. Endlich Wehen! Unregelmäßige, manchmal schmerzhafte, gut auszuhaltende Wehen. Sehr gut auszuhalten, also auch nicht besonders ernst zu nehmen, dachte ich mir. Tagsüber war meine Schwägerin zu Besuch; um die Schwiegerfamilie nicht zu alarmieren, sagte ich erstmal nichts. Auch nicht beim abendlichen Spaziergang mit meinem Freund. Schließlich sagte ich doch was, weil es mir zu ungemütlich wurde und ich Angst vor einem Blasensprung an der Hafenpromenade bekam.

In der Nacht ging es dann genauso weiter: Wehen, ja, aber nicht so stark.

Auf dem Weg ins Krankenhaus

Nach einer unruhigen Nacht werde ich morgens um acht wach und weiß: Die kommen heute. Liegen ist ungemütlich, also stehe ich auf und frühstücke. Und da sitze ich, mit dem Kaffee in der Hand, und spüre ein ganz zartes Plopp. Von einem Moment auf den anderen bin ich hellwach, aufgeregt und nervös. Die Fruchtblase ist geplatzt! Aber Moment mal, müsste das Fruchtwasser nicht klar sein? Das ist ja rosa!! Bei mir läuten sofort die Alarmglocken: Das ist nicht die richtige Farbe, ich will so schnell es geht ins Krankenhaus.

Mein Freund hat im Geburtsvorbereitungskurs gelernt, dass man bei Blasensprung noch Zeit hat, in Ruhe zu duschen und etwas zu essen. Das möchte er nun gerne auch so umsetzen. Ich möchte los, und zwar sofort.

Also hetzen wir irgendwie angezogen zum Auto. Das Auto springt nicht an. Ein Taxi, aber sofort! Unbeeindruckt von meinem nervösen Gedrängel will mein Freund es weiter versuchen. Das kann doch nicht sein, dass das jetzt nicht anspringt…ich bin drauf und dran aus dem Auto zu springen und mir alleine ein Taxi zu rufen. Nach einer Ewigkeit von fünf Minuten werde ich erlöst, der Motor brummt und wir fahren los zum Krankenhaus.

Im häßlichen Kreißsaal

Als wir uns am Schalter melden, möchte ich sofort meine Botschaft von dem rosa Fruchtwasser an den Mann bringen. Es scheint aber niemanden zu interessieren und wir werden gemächlich Geburtsstation geführt.

Unser Zimmer ist kahl, klein, ungemütlich und hat kein Fenster. Immerhin gibt es eine Dusche und eine Toilette. Hier werden wir also die nächsten Stunden verbringen. Da hatte ich mir zugegebenermaßen mehr erhofft. Neben dem Bett, einem Stuhl, meinem Freund, der Ärztin und der Hebamme sehe ich weder Platz für den vielgerühmten Gymnastikball noch für ausgeprägtes Wehen-wegspazieren meinerseits.

Meine Beweglichkeit wird sowieso direkt eingeschränkt: Die Herztöne meiner Babies einzufangen gestaltet sich äußerst schwierig, so dass ich die meiste Zeit mit einer Hand das Messgerät festhalte. Dank Schwangerschaftsdiabetes bekomme ich später an die andere Hand einen Zugang für Insulin und Nährlösung, an Aufstehen ist also nicht mehr zu denken. An dieser Stelle verabschiede ich mich endgültig von meinem Geburtsplan.

Nebenan gibt es eine weitere Geburt. Ansonsten ist es ruhig. Durch die offene Tür hören wir die Belegschaft quatschen.

Ein langer Tag

Eine ganze Weile passiert nichts. Oder besser: Es passiert so einiges, aber die Geburt will nicht voran gehen. Erst wird mir eiskalt, und die Hebammen holen mir eine Wärmflasche und Decken. Darin eingemummelt liege ich mit klappernden Zähnen im Bett, dann möchte ich die Decke so schnell wie möglich wieder loswerden. Mir ist heiß! Die Wärmflasche wird durch einen nassen Lappen auf der Stirn ersetzt, den mein Freund geduldig wendet und wässert. Wenn das Fieber nicht heruntergeht, erklären die Ärzte, wollen sie einen Kaiserschnitt machen. Das kommt ja mal gar nicht in Frage!, denke ich mir. Und tatsächlich geht das Fieber wieder herunter, die Lage beruhigt sich.

Meine Wehen bleiben aber unregelmäßig und sind anscheinend nicht besonders stark (obwohl sie schon ordentlich weh tun). Es gibt also das gefürchtete Oxytocin. Als das wirkt, schmerzt es wirklich. Und wie! In der Hoffnung eine gute Position für, mit, gegen die Schmerzen zu finden, kämpfe ich mit dem Bett und verliere. Nie hätte ich gedacht, dass ich die Schmerzen so schlecht aushalte, aber als mir die PDA angeboten wird, will ich sie sofort, bitte! Mein Freund steht daneben und insistiert: Du wolltest doch gar keine PDA… Mir ist das egal, es soll einfach nicht mehr weh tun.

Als der Schmerz nachlässt, fühle ich mich wunderbar. Entspannt im Bett liegend benachrichtige ich meine Familie, dass die beiden auf dem Weg sind. Seltsam, so dazuliegen, ohne etwas zu spüren. Ich schlafe ein. Mein Freund fühlt sich nutzlos und beobachtet den Wehenschreiber. Ab und zu kommt die Ärztin und kontrolliert den Muttermund, wir machen gute Fortschritte. Ich freue mich auf die beiden. Die Geburt nebenan ist schon vorbei, wir hören ein Baby schreien. “Bald kommen unsere!”, denken wir.

Jetzt sind wir die einzige Geburt des Tages und haben somit sozusagen VIP-Status. Die diensthabenden Ärzte und Hebammen kommen immer mal wieder hereinspaziert, eine Zwillingsgeburt ist ja recht selten; außerdem scheinen sie sich zu langweilen. Und so werden wir heute von zwei Ärzten und vier Hebammen betreut.

Kurz vor zwölf: Kaiserschnitt

Über den Tag habe ich mein Zeitgefühl vollkommen verloren, aber seit dem Blasensprung sind schon einige Stunden vergangen und es ist Abend geworden.

Der Muttermund ist bei 10 cm und die Herztöne von Kind zwei scheinen unregelmäßig zu sein – die Babys müssen raus. Wir stellen die PDA ab, damit ich mehr Gefühl fürs Pressen bekomme. Aus irgendeinem Grund geht es nicht voran, obwohl die Ärztin schon das erste Köpfchen erfühlen kann. Was ist da los? Schon ist es elf Uhr nachts und die Babys sind immer noch nicht da.

Kurze Beratung der beiden Ärzte, Entscheidung für einen Kaiserschnitt. Ich bekomme Angst, der Gedanke, bei der OP wach zu sein macht mich nervös. Gleichzeitig möchte endlich meine beiden Babys im Arm halten. Jetzt geht alles ganz schnell. Zu mehr als einem schnellen Abschied von meinem Freund im Krankenhausflur reicht es nicht, so schnell bin ich im OP. Um mich herum stehen eine Menge Menschen mit Hauben und Mundschutz, außer der Anästhesistin erkenne ich ohne meine Brille niemanden.

Zum Glück ist man auf dem OP-Tisch angeschnallt, sonst würde ich mich gleich wieder davonmachen. Beim ersten Schnitt fange ich an zu zetern: Die Betäubung wirkt nicht! Irritiert wird alles gecheckt, nein, kann nicht sein. Fühle ich wirklich was? Anscheinend nicht, denn es wird weiter geschnitten. Eine nette junge Frau (meine Hebamme? Ich Blindfisch!) hält meine Hand und warnt mich “So, was jetzt kommt, finden die meisten unangenehm.” Es ruckelt komisch in meinem Bauch und Petita ist da. Mit einem zweiten Ruckeln kommt Juni. Beide werden direkt herausgebracht, zum frischgebackenen Papa.

Wenig später werden beide zu mir in den OP gebracht. Zuerst Petita, eingewickelt in eine blaue Decke, das zarte Köpfchen schaut heraus; dann Juni, noch voller Käseschmiere und mit schwarzblankem Blick. Beide bekommen ein Küsschen und schon werden sie wieder rausgetragen.

Bald kann ich ja zu ihnen!

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