Meer und große Steine

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Montag

Heute kam ein Paket mit Saatgutkonfetti, das die Kinder und ich noch schnell schnell vorm Abendessen ausgesät haben, jetzt stehen also ein paar kleine Experiment-Blumentöpfe auf der Fensterbank.

Nach dem Mittagessen wollten wir heute die “Mona de pascua” für die Mädels aus der Konditorei abholen, aber huch, hat die Montags geschlossen und so haben wir eine Runde umsonst in die Innenstadt gemacht. Die Stunde, die das gedauert hat, hat mir dann bis Feierabend gefehlt, also saß ich eben noch am Rechner. Und morgen müssen wir (oder einer von uns) dann wirklich die Mona holen, sonst ist auf einmal Feiertag, man kennt das ja. Außerdem wollte ich mich beim Bastelladen vorbei und ich sehe schon, dass damit morgen wieder mindestens eine Stunde wertvolle Arbeitszeit flöten geht…nunja.

Auf dem Weg zur Konditorei kamen wir an mehreren “Mona”-Varianten vorbei, im Bild oben sieht man die Kuchen-Variante. Mein Favorit ist der weiße mit dem draufgesetzen Nutellglas 😀

Später waren wir mit den Kindern im Fahrradladen und wollten ein Rad mit Pedalen ausprobieren, das wir da letztens gesehen hatten, die waren aber schon ausverkauft. Die Firma muss erst nachbauen und das dauert länger als bis zum Geburtstag. Hat also auch nicht geklappt.

Basteln würde ich mit den Kindern auch noch gerne und so fängt diese Woche mit vielen hätte, könnte, sollte an. Montag halt.

(Mit dem Handy lässt es sich ja schrecklich schreiben hier in WP, also hoffe ich auf nicht allzuviele Tippfehler, man nehme Nachsicht bitte)

Maßnahmenpakete

Für die Zeit während dieser Pandemie erlassen wir folgende auf subjektiv-basierter Evidenz getroffene Maßnahmen:

BHs sind ab sofort aus dem Alltag zu verbannen und nur noch bei besonderen Gelegenheiten zu benutzen. Eine besondere Gelegenheit kann sein: Ein längerer Aufenthalt draußen mit ggf. Ablegen der Jacke, der Wunsch nach prä-pandemischer Unbequemlichkeit oder weil man den dringenden Wunsch danach verspürt.

Wir verzichten auf eine Frisur und versuchen uns kurz vor dem nächsten Video-Telefonat die Haare irgendwie so zu richten, dass man nicht aussieht als wäre man seit 10 Monaten nicht beim Friseur gewesen (was zutreffend ist).
An dieser Stelle erinnern uns daran, dass Zoom uns spiegelverkehrt anzeigt und alle anderen Menschen uns aber richtig herum angezeigt bekommen. Es ist kompliziert.

Sie dürfen sich ruhig eingestehen, dass sie einige gängige Schönheitspflege-Gewohnheiten nicht “einfach nur für sich” machen. Sie können diese natürlich fortführen, es lässt sich aber auch gut ohne sie leben.

Der Blick aus dem Fenster soll müden Augen eine Ablenkung von den drei gängigen Bildschirmgrößen bieten. In Anbetracht eines seit Monaten immer gleichen Blickes vom Heimarbeitsplatz aus kann man zur Abwechslung auch einen Blick aus dem Küchenfenster werfen und sich gleich einen Tee dazu kochen.

Ausmisten ist verboten. Insbesondere während einer Ausgangssperre ist es nicht ratsam, Kleidung auszusortieren. Sowohl Winterjacken als auch Schuhe, schöne Kleider und Blusen sind für post-pandemische Zeiten aufzubewahren. Unbequeme Hosen können wir aber sicher für immer aus unserem Kleiderschrank verbannen.

Beginnen Sie unverzüglich, einen Vorrat an Seifenblasen, Wunderkerzen, Luftballons, Bastelsachen und kleineren Überraschungen anzulegen, um dem nächsten Lagerkoller der Kinder entgegenzuwirken.
Hinweis für die Erwachsenen: es empfiehlt sich, einen kleinen Vorrat Schokolade und Wein (wer mag) zu Hause zu haben, jedoch sei vor dem übermäßigen Genuss derselben gewarnt.

Versuchen Sie, nicht ständig ins Nachbarfenster zu schauen. Der Kirchturm ist auch schön. Sie werden sowieso bald alles über den Tagesrhythmus ihrer Sicht-Nachbarn wissen und diese über den ihren. Gewöhnen sie sich dran.

Machen sie es sich so schön, wie es geht, aber schrauben sie ihre Ansprüche an „schön“ herunter. Es reicht, wenn Sie und ihre Familie es nett miteinander haben, Perfektion ist fehl am Platz. Sie müssen noch eine Weile durchhalten.

Bleiben Sie um Himmels willen zuhause, wenn sie Schnupfen haben (hergottnochmal), ohne einen Test können sie Corona NICHT von einer normalen Erkältung unterscheiden. Zumindest, wenn sie im Hochrisikogebiet leben. Danke.

Sie können eine Nähmaschine kaufen, wenn Sie das möchten, das heißt aber nicht, dass sie sie auch benutzen. Denken sie an die zwei Kleinkinder und neue Bürosituation.

Haben sie Geduld. Viel Geduld.

Mehrere Kinderbücher und eine Postkarte. Auf der Postkarte steht: Ich denk an dich. Die Kinderbücher sind: Für Hund und Katz ist auch noch Platz und Die Schnecke und der Walfisch von Axel Scheffler und Julia Donaldson. Diese Kinderbücher haben wir während der Quarantäne geschenkt bekommen

Ich denk an Dich

Seit ich meine Lieben in Deutschland so lange nicht gesehen habe, habe ich viele wunderbare Pakete und Päckchen bekommen: Von einer Arbeitskollegin, von meiner Tante, von der besten Freundin, von meinen Eltern, zum Kindergeburtstag, zu Ostern, als Quarantäne-Gruß.

Bei WhatsApp schicken wir Fotos hin und her, wir telefonieren mit und ohne Video. Es kommen mal besorgte Anrufe von der Familie (wenn Spanien mal wieder Risikogebiet wird) oder Fragen von den Kollegen, kleine, liebe Mails. Kunden wünschen alles Gute und hoffen, dass wir alle gesund bleiben. Mit meinen Freunden hier fragen wir auch viel häufiger nach: Wie geht es Dir? Cómo lo llevas?

Und die Antworten sind nicht mehr nur einfach “Gut, danke”, sondern alle erzählen ein bisschen was von sich. Wie die Situation gerade bei ihnen ist, ob die Sorgen zur Angst werden und wie man den Alltag schafft, mit Kindern, mit Schule, mit Quarantäne. Bei all der Distanz, die wir einzuhalten haben, scheint es, als ob wir innerlich einander näher rücken. Wir sind ein bisschen offener füreinander geworden und sensibler für die vielen Auf-und-Abs, die jeder, in seinem eigenen Rhythmus, durchläuft.

Das Wörtchen gut hat in diesem Jahr viele neue Bedeutungen bekommen:

Während der Ausgangssperre hieß “gut”, dass wir gesund waren, uns nicht in die Haare kriegen und die Kinder einmal am Tag gelacht haben. Dieses gut wäre zu anderen Zeiten aber ein schlecht gewesen oder höchstens ein geht so, jetzt geht es uns also seit über einem Jahr gut und alle wissen, was gemeint ist. Irgendwo las ich letztens den Begriff “pandemic fine”, das scheint also eine Sache zu sein. In geschäftlichen E-Mails ist der Ton etwas persönlicher geworden, wir schreiben “take care” und bleibt gesund, alle sind etwas offener geworden – schon allein dadurch, dass ich meine Kunden benachrichtige, dass ich diese Woche die Kinder in Quarantäne habe (ja, schon wieder) und meine Arbeitszeiten sich ändern, gibt es auf einmal mehr Raum für Privates. Das hat etwas schönes, menschliches in einen Teil meines Arbeitsalltags gebracht.

Fast habe ich das Gefühl, ständig denken alle an alle. Ich mache mir Gedanken, wie es der alleinlebenden Freundin geht, der Großtante in ihrem Häuschen auf dem Land, wie hart der Lockdown die mit dem dritten Kind hochschwangere Freundin trifft oder die alleinerziehende Mutter. Wer steht in so einer Situation besser da, gäbe es eine Lebenssituation, in der ich jetzt besser zurecht käme? Aber am Ende geht es uns allen, jeder auf ihre Weise eben “gut”, also schlecht, wir halten durch und sind müde vom Alleinsein, vom ständig-zusammen-sein, vom Warten, vom achten PCR-Test der Kinder (negativ), von den Maßnahmen, die umgesetzt und noch mehr von den Maßnahmen, die nicht umgesetzt werden.

Wir sind mit der Gesamtsituation unzufrieden, könnte man sagen, es nervt mich, dass wir immer noch Risikogebiet sind, eine Welle die nächste ablöst und ich meine Familie immer noch nicht besuchen kann oder nur mit enormen Aufwand. Der Flugplan schiebt sich immer wieder einen Monat nach hinten, es gibt keine Flüge und ich möchte eigentlich auch gar nicht fliegen, aber meine Familie würde ich gerne sehen.

In einem Jahr sind die Kinder so gewachsen, sie werden bald vier und es tut mir weh, daran zu denken, was meine Mama und Papa verpasst haben. Das letzte Mal waren die beiden noch fast Babies (naja, klein halt), auf den Fotos sind sie noch ganz rund und speckig und heute springen und klettern hier zwei richtige Kinder herum.

Aber noch schicken wir uns weiter Herzchen und Fotos und ich erzähle den Kindern von der Oma und dem Opa in Deutschland und frage, ob sie sich noch erinnern an das Freibad, an den Tannenbaum und das Feuerwerk an Silvester. Sie erzählen mir kleine Geschichten, die wir erlebt haben und fragen wann wir wieder zu Oma können, und ich sage, wenn der “kleine Husten” vorbei ist. So haben wir den Virus getauft,weil er ein gefährliches kleines Ding ist, welches den Leuten in den Mund hüpft und Husten bringt, aber das ist eine andere Geschichte.

Bis dahin schicken wir weiter Herzchen und Bilder und denken aneinander.

Der ewig lange spanische Sommer…

Das Jahr neigt sich dem Ende entgegen, dabei habe ich gedanklich gerade erst Abschied vom Sommer genommen. Der Herbst war bis letzte Woche so mild, dass wir erst vor ein paar Tagen die dicken Jacken rausgeholt haben (und es sind nur 15 Grad, die sich aber echt sehr kalt anfühlen!) Der hiesige Herbst war also eher ein sehr langer Spätsommer, mit viel blauem Himmel und wenig fallenden Blättern. Manchmal wünsche ich mir fast ein paar Regentage hintereinander, statt dieses zaghafte Getröpfel ab und an. Aber das ist eine andere Geschichte.

Zurück zum spanischen Sommer. Zu diesem gehört nämlich ein Phänomen: Im August hat Spanien zu. Die Städte liegen wie ausgestorben da, in Barcelona fliehen die Einheimischen vor der Hitze in kühlere Regionen, in den Ladenfenstern hängen Zettelchen “Wir kommen am 1. September wieder!” Leider betrifft dieses Phänomen zwar die öffentlichen Kindergärten, aber nicht unsere Arbeitsplätze.

Also standen wir auch in diesem Sommer wieder vor der Frage: Was machen wir so lange mit den Kindern? Die Sommerferien beginnen Ende Juni und enden nach der ersten Woche im September. Da reichen sechs Wochen Jahresurlaub nicht (und noch weniger, wenn man noch Tage für den Weihnachtsbesuch in Deutschland braucht).

Was tun?

Für den Juli hatten wir zwei Optionen: Großeltern oder casal d´estiu, die Sommerbetreuung im Kindergarten. Letzteres hatten wir voriges Jahr schon ausprobiert und nun ja, es war ok, aber für die damals einjährigen nicht das richtige. Unsere kleinen Krabbelwesen schwitzten im unklimatisierten Kindergarten vor sich hin, es war teuer (man muss den einen Monat extra bezahlen, plus Mittagessen waren das so um die 1000 Euro für zwei Kinder) und überhaupt hatten wir nicht so richtig Freude an diesem Konzept. Dieses Jahr entschieden wir uns also für die traditionelle Variante: Die Großeltern springen ein.

Hier ist es durchaus üblich, die Familie so stark in die Kinderbetreuung einzubinden. Teils, weil es nicht anders geht, teils, weil die Großeltern es fast für selbstverständlich oder gar ihre Pflicht halten, auf die Enkel aufzupassen. Als ich noch im Mutterschutz war (den ich dank unserer Ersparnisse auf ein Jahr ausgeweitet hatte) sah ich beim morgendlichen Spaziergang mit Kindern überall Yayos und Yayas mit Kinderwagen: Am Strand, beim Einkaufen…bis die Eltern von der Arbeit kamen, um die frisch gebadeten und gut gefütterten Kleinen in Empfang zu nehmen.

Als unsere mit knapp einem Jahr in den Kindergarten kamen, lamentierte meine Schwiegermutter darüber, dass sie leider noch nicht in Rente sei, um die Betreuung zu übernehmen. Mir hingegen fiel und fällt es eher schwer, die beiden so lange bei den Großeltern zu lassen. Vielleicht, weil ich selbigen ein eigenes Leben zugestehe und nicht davon ausgehe, dass sie Lust haben, fünf Tage die Woche auf zwei zweijährige aufzupassen. Hat das was mit der deutschen Mentalität zu tun? Oder liegt es daran, dass es mir leid tut, dass meine Eltern die beiden nie so intensiv erleben werden – gerade im Moment, wo so viel passiert und sie jeden Tag mehr sprechen, mehr teilen, mehr mit einem erleben und verstehen.

Meine Schwägerin macht dagegen ganz selbstverständlich von ihren Eltern Gebrauch. Der kleine Primo ist zwar im Kindergarten angemeldet, aber effektiv ist er, seit sie wieder arbeitet, jeden Tag bei seinen Yayos.

Im Juli übernahmen also die Großeltern. Und es lief super. Yayo hat sich einen Haufen Spiele und Aktionen ausgedacht und es immer wieder geschafft, mit einfachen Mitteln und ein bisschen Albernheit etwas Neues zu erfinden. Fast jeden Tag kamen die beiden mit irgendwelchen Kreationen nach Hause: Ausgeschnittenes Obst und Gemüse aus Papier, ein Schuhkarton mit Schnur als Eisenbahn oder hochdekoriert mit selbstgebastelten Krönchen und Armreif. Die Yaya erfüllte alle Klischees und sorgte für reichlich essen, ordentlich gekämmte Seitenscheitel und ausgehfeine kleine Damen.

Insgesamt ein voller Erfolg, auch wenn ich beide Augen fest zudrücken und mir vorsagen musste: “Es sind Ferien. Das ist ein Ausnahmezustand. Sie tun uns einen Riesengefallen. Die Kinder lieben es “. Für meinen Geschmack gab es zu viel Kakao und Keks und gezuckertes, zu viel Zeichentrick und zu viel “Rosa-Hellblau-Falle”. Bei der Kinderziehung liegen zwischen mir und meinen Schwiegereltern wirklich Welten.

Im August schlossen wir uns den Massen an und nahmen Urlaub. Das erste Augustwochenende sorgt traditionell für Staus auf den Straßen, also warteten wir noch ein paar Tage, bevor wir uns auf den Weg machten. Wie letztes Jahr hieß es: Vamos al Pueblo! Dort verbrachten wir ein paar Wochen mit der engeren und entfernteren Verwandtschaft. Von dort aus ging es dann, mit einem kurzen Zwischenstop zu Hause, nach Deutschland zu meiner Familie. Der Mann und ich sprechen immer augenzwinkernd von ausgleichender Gerechtigkeit, denn: Er findet es in Deutschland ähnlich spannend wie ich im Dorf. Also mäßig. Irgendwie ist beides schön, aber auch ein bißchen langweilig für den jeweils anderen. Die Kinder haben natürlich überall Spaß und haben es vor allem sichtlich genossen, das wir so viel Zeit mit ihnen verbracht haben.

Trotzdem würden wir nächstes Jahr noch etwas Familienzeit zu viert einplanen – denn so richtigen Familienurlaub, das haben wir immer noch nicht gemacht.

Verschieden Kinderbücher nebeneinander gelegt

Wir lernen sprechen – in drei Sprachen!

Es ist so weit: Meine Töchter lernen ihre ersten Wörter und schnappen jeden Tag etwas neues auf. Und so sehr ich darauf achte, mit den beiden nur deutsch zu sprechen – die beiden Landessprachen sind auf dem Vormarsch. Vor allem der Kindergarten tut sein übriges: Jeden Tag kommen sie mit neuen katalanischen Wörtern nach Hause. So heisst Fisch nicht Fisch und nicht pescado sondern “peix”. Der kommt im Kindergarten häufig auf den Tisch, scheint´s, denn Hühnchen oder Fleisch nennen sie ebenso.

Angeblich sprechen mehrsprachige Kinder erst später. Ob das so ist kann ich allerdings noch nicht nicht einschätzen. Durch das katalanisch-spanisch gibt es hier ja sowieso eine Menge bilingualer Kinder. Im Kindergarten ist mir noch nicht aufgefallen ob einige Kinder besser oder schlechter sprechen. Allerdings wusste unser Nachbarsjunge im Gegensatz zu den beiden schon mit etwas über einem Jahr sehr viele Wörter, da waren die beiden noch bei “Ta-ta” und “Mama-Papa-Nana”.

Ein Wort für Papa, ein Wort für Mama…

Im Moment lernen sie wirklich jedes Wort in Bezug zu einer Person: Schuhe heißen zum Beispiel auf spanisch “pato!”(zapato), weil es meistens der Papa ist, der mit ihnen morgens die Schuhe anzieht. Von mir haben sie den “Baum” vom Spazierengehen, den “Tiiiiger” aus unserem Einschlafbuch und natürlich die “Milch”. Sie haben “genug”, wenn sie satt sind und sagen sehr energisch “No!” und nur selten “Nei”, wenn sie etwas nicht möchten. Einige Wörter wiederum klingen sehr ähnlich, zum Beispiel “aua” und “agua”: Meine Schwiegermutter denkt jedesmal, wenn das Essen noch heiß ist (“aua!”), sie möchten ein Glas Wasser trinken (“agua”). So ein Kuddelmuddel!

Ein paar Wörter sagen sie sogar schon auf mehreren Sprachen: “¡Hola!” und “Hallo!”, “Adéu” und “Tschüss”. Außerdem gibt es die deutsche “Oma” und die spanische “Yaya”, das ist natürlich praktisch. Katzen und Hunde heißen in beiden Sprachen “Miau” und “Wau wau”.

Verstehen tun sie alle drei Sprachen. Sie wissen, dass die Hand auch “ma” oder “mano” heisst, der Kopf auch “cap” oder “cabeza” und zeigen ihre Füße her, auch wenn sie “pies” oder “peus” genannt werden. Nur für mich beginnt die Herausforderung Dreisprachigkeit jetzt erst recht – hoffentlich klappt das mit dem deutsch lernen auch! Da mache ich mir manchmal Gedanken, ob sie nicht doch auf die deutsche Schule sollten. Dagegen spricht, dass sie dann wiederum so wenig Kontakt mit den Kindern hier vor Ort hätten und wir sie immer mit dem Auto nach Barcelona bringen müssten. Bisher bin ich aber zuversichtlich, das es auch so geht. Es gibt genügend andere deutsche Mütter hier vor Ort und bei den Besuchen in Deutschland oder umgekehrt hören sie ja doch wieder viel deutsch.

Meine Sprache, meine Kultur

Gerade weil ich im Ausland lebe, ist es mir wichtig, den beiden meine Sprache und Kultur näher zu bringen – das wird sicher in den kommenden Jahren noch ein Thema. Ostereiersuche, Sankt Martin, Adventskalender und Weihnachtsmarkt gehören nun mal nicht zum spanischen Kulturgut. Hier gibt es natürlich auch viele für Kinder schöne Feste – aber etwas wehmütig werde ich schon, wenn ich daran denke, dass sie wohl nie im Kindergarten Laternen basteln. Und der Kölner Karneval wird sicher auch keinen großen Stellenwert in ihrem Leben haben. Wirklich schlimm ist das natürlich nicht, aber ich merke: Als Mama möchte ich den Kindern gerne meine eigenen schönen Kinderheitserlebnisse mitgeben – oder besser: Ich selber verbinde mit “Kindheit” eben diese Feste und Feiern. Und nun habe ich da zwei kleine Spanierinnen, die wahrscheinlich eine hauptsächlich spanisch-katalanische Kindheit haben werden.

Sie lieben die katalanischen Lieder aus dem Kindergarten und wollen immer wieder zur “Castanyera” tanzen, also lerne ich die Texte auswendig und singe sie ihnen vor. Wenn der Mann und ich miteinander reden und wir die Kinder ins Gespräch einbeziehen, wechseln wir auch nicht immer die Sprache, meistens wiederhole ich aber ein Wort oder einen Satz auf deutsch.

Ansonsten haben wir viele deutsche Kinderbücher und dank YouTube wird es sicher irgendwann mal Sendung mit der Maus oder ähnliches auf deutsch geben. Bisher haben wir noch viele Bücher ohne oder mit nur sehr wenig Text, die sich vor allem über die Bilder vermitteln – da erzählt dann jeder in seiner Sprache etwas dazu. Besonders toll geht das mit “Gute Nacht, Gorilla”, oder Wimmelbüchern. Seit langem beliebt und immer mal wieder aus dem Regal geholt werden “Piep, piep, piep” und “This is not a book”. Außerdem singen wir uns kreuz und quer durch unsere deutschen Liederbücher (wirklich schön: Das Kinderlieder-Buch aus dem Liederprojekt – die Mädels lieben die Illustrationen!).

Jetzt stehen erstmal zwei Wochen Deutschlandbesuch auf dem Programm, mal sehen welche Worte die beiden dort aufschnappen 🙂

Wo die reichen Leute wohnen

Vor einiger Zeit hatten wir uns entschlossen, in die leerstehende Wohnung meiner Schwiegeroma zu ziehen. Eine Mischung aus Geldersparnis und Familiennähe hat uns schließlich dazu bewogen, unser Viertel zu verlassen und den Umzug mit Kind und Kegel in eine neue Umgebung zu wagen. Wenn wir vorher hier zu Besuch waren und die Leute fragten, “Wo wohnt ihr?”, hieß es auf unsere Antwort immer: “Ach, bei den Reichen.” Bei den Reichen, das war im Zentrum, in Strandnähe, wo zwischen den 60er-Jahre Häuserblöcken immer noch ganze Straßenzüge aus den kleinen kastigen Einfamilienhäuschen gebaut sind, die für Spanien (oder Katalonien?) so typisch sind.

In so einem kleinen alten Häuschen wohnten wir. Genauer gesagt, in der oberen Hälfte, das Haus war nämlich irgendwann mal geteilt worden. Unten wohnte eine kleine Familie, links von uns lebte eine ältere Dame, rechts ein nettes Ehepaar mit ihrem Teenager-Sohn. Letzteren sahen wir in vier Jahren genau einmal. Dafür stand die alte Dame schnell auf ihrem Balkon, sobald sie uns auf ebensolchem hörte und war bereit für ein Schwätzchen.

Zu der Straße gehören noch zwei Brüder über achtzig, die gerne gegen fünf Uhr morgens in ihren Landrover steigen, um Wildschweine jagen zu gehen und wegen denen man immer etwas in Sorge war, dass sie sich oder jemand anders aus Versehen erschießen könnten. Wie gesagt, die beiden sind über achtzig. Des Weiteren gibt es noch den sehr alten Herrn L, der im Sommer den ganzen Tag auf einem Klappstuhl auf dem Bürgersteig sitzt und Sardanas aus einem kleinen tragbaren Radio hört. Mit einem kratzigen “Adéu” grüßt er tagein, tagaus die Vorbeigehenden.

So idyllisch, so klein und teuer die Wohnung. Auf zweieinhalb Zimmern und ebensovielen Treppen wurde es uns mit den Mädels einfach zu eng. Also packte ich schweren Herzens des Nachts eine Menge Umzugskartons. Tagsüber machten wir uns daran, Abuelitas Wohnung etwas in Schuss zu bringen. Daraus wurde ein zweiwöchiger Gewaltakt: Die Familie des Mannes hat nämlich einen Hang zum Hamstern. Alles, was man “irgendwann sicher noch mal gebrauchen kann”, wird also verstaut, aufbewahrt und in unserem Fall erneut begutachtet. Je nach Befund durften die vielen vielen Kinkerlitzchen und die leicht ramponierten Oma-Möbel also entsorgt werden – oder sie wurden irgendwo anders wieder verstaut und warten seitdem vertrauensvoll auf ein zweites Leben. Aber irgendwann war die Wohnung tatsächlich leer (bis auf die paar Sachen, die wir behalten haben) und wir konnten endlich streichen und uns an den eigentlichen Umzug machen.

Seitdem könnte man meinen, wir wären in eine andere Stadt gezogen. Wir sind nicht mehr fünf Minuten vom Strand entfernt, sondern eine stramm spazierte halbe Stunde. Unsere Wohnung liegt nicht mehr in einem alten Häuschen, bei dem es bei starkem Regen durchs Dach tropft und eine Ameisenkolonie uns einmal im Jahr besucht. Die neue Wohnung ist in einem dieser (ähem, etwas häßlichen) 60er-Jahre-Wohnblocks. In der Nachbarschaft um uns herum leben vor allem Andalusier, Chinesen, Araber, Afrikaner und Gitanos. Wenn ich Samstags aus dem Fenster schaue, gibt es vielleicht eine Hochzeit im andalusischen Stil mit Sevillanas tanzenden Brautleuten, afrikanische Familien flanieren in wunderschöne traditionelle Stoffe gekleidet zum Park und von irgendwoher höre ich eine Gitana zur elektrischen Orgel Flamenco singen.

Rund um den Platz dekorieren sich jeden Nachmittag die älteren Herrschaften auf den Bänken und schauen und reden. Die Straße weiter runter streiten sich zwei Männer, und angeblich wurde sogar ein Messer gezückt, sagen die Kellner von der Bar an der Ecke. Bei religiösen Anlässen werden große Marienstatuen in unterschiedlich gut besuchten Prozessionen durch die Straßen getragen. Es gibt einen andalusischen Heimatverein, Halal-Fleischereien und einen chinesischen Supermarkt. Der nächste selbstbackende Bäcker ist zwanzig Gehminuten entfernt und im Mercadona gibt es kein einziges Bio-Produkt. Ein Glück wurde vor einer Woche Feta-Käse neu ins Sortiment aufgenommen, den hatte ich vorige Woche noch vergeblich gesucht.

Hier herrscht ein ständiges Stimmengewirr aus allen möglichen Sprachen und bis abends um zehn hört man die Kinder auf dem Spielplatz toben. Vom Balkon aus sehe ich riesige Brandschutzwände aus Asbest und niemand weiß, ob die jemals abgetragen werden, weil die Kosten in Spanien allein beim Eigentümer liegen. Also hoffe ich, dass die in den nächsten Jahren nicht irgendwie korrodieren und unterdrücke meine Sorge um eventuelle Partikelchen in der Luft.

Wie stark beeinflusst ein Wohnort das Leben? Viele Leute aus dem Barrio gehen nur selten ins Stadtzentrum, im Viertel hat es alles, was sie brauchen. Aber hier gibt es keine Bio-Windeln, kein Müsli oder Frühstücksflocken ohne Zucker und die meisten Säfte im Sortiment würden in Deutschland unter “Nektar” laufen. Ein bißchen ist es, wie als wir damals nach Neukölln zogen, kurz vor der Gentrifizierung und ihren Burger-Bratereien, Bio-Produkten im Supermarkt, Galerien und Second-Hand-Läden. Es gibt viel frisches Gemüse, das meiste sicher aus Spanien, wenn auch aus dem Süden. Wenn man darauf achtet, kann man sicher auch hier sehr gut regional einkaufen. Die Kollegen meines Mannes sagen, ich wäre eine “pija”, also irgendwas zwischen Schnöselig und versnobt, wenn ich davon erzähle. Dabei ist ja garnicht mein Punkt, dass ich mich beschwere, was es hier nicht gibt, sondern dass den Menschen der Zugang zu bestimmten Produkten erschwert wird. Bio muss man sich natürlich auch leisten können. Trotzdem ist es schon etwas umständlich für ein paar Windeln einen Abstecher ins Zentrum zu machen. Als ich gestern mit den meinen zwei Paketen Windeln auf dem Arm nach Hause spazierte, hielt mich eine Schwangere an und fragte, wo ich die her hätte. “Vom Bio-Supermarkt im Zentrum” seufzte ich. “Ach so…na immerhin gut zu wissen, sonst bringt mir meine Mutter immer welche aus der Nachbarstadt mit”, sagte sie. Und genau darum frage ich mich, wie sehr der Wohnort eine bestimmte Lebensweise unterstützt oder eben erschwert oder sogar die Gesundheit beeinträchtigt.

Wenn ich jetzt ins Zentrum spaziere, fällt mir vor allem auf, wie wenig Menschen auf den Straßen sind. Alles ist sauber und ordentlich. Abends werden die Bürgersteige hochgeklappt, außer auf den Terrassen der Bars sieht man kaum jemanden. Es ist ruhig, ein bißchen langweilig und beschaulich. Auf den Straßen hört man hauptsächlich katalanisch und zu den Festivitäten gibt es mehr Gegantadas zu sehen als Marienstatuen.

Wer weiß, wohin es uns in den nächsten Jahren verschlägt? Jetzt versuchen wir erstmal hier anzukommen, in dieser neuen alten Umgebung.

Et hät noch immer jot jejange!

Diese kölsche Redensart hat mich als alte Rheinländerin das erste Babyjahr begleitet. Egal, durch wie viele schlaflose Nächte und vermurkste Tage wir schlidderten, tief in mir drin wusste ich: Irgendwann geht das auch vorbei. Und dann merken wir, das wir das alles eigentlich total gut hingekriegt haben, für einen ersten Versuch.

“Nach dem ersten Jahr wird alles besser”

Dieses uralte Mantra trugen uns Zwillingseltern (und eigentlich alle Eltern mit Kindern von über einem Jahr) aus dem Bekanntenkreis bereits in Zeiten vor, als wir noch übernächtigt und vollkommen überwältigt von unserem plötzlichen Elterndasein waren. Welterfahren und mit allen Wassern gewaschen standen sie vor uns und warfen uns so ein paar Bröckchen Mut und Durchhalteparolen hin, die wir uns in anstrengenden Momenten immer wieder vorsagten: Nach dem ersten Jahr wird alles besser! Und wenn sie dann erstmal Laufen können! Und sprechen! Und was, zur Schule gehen, ausziehen, zur Uni und eine eigene Familie gründen oder wie?

Aber ja, sie hatten recht. Die Babies hatten ihren ersten Geburtstag und es ist wirklich alles “besser”. Je nach Betrachtungsweise kann das allerdings alles und nichts bedeuten: Sobald eine anstrengende Phase vorbei ist, schaue ich schon mit Herzchen in den Augen zurück. “Ach, war das süß als sie drei (vier, fünf, sechs…) Monate alt waren!” denke ich, wenn ich andere, kleinere, Babies sehe. Gleichzeitig sehe ich in einem Zustand der Dauerverliebtheit meinen Damen dabei zu, wie sie die Welt entdecken und jeden Tag etwas neues lernen. Wahnsinn, wie viel zwei so kleine Wesen abgucken, anschauen, anfassen (und essen) wollen!

Was soll dieses “besser” denn nun sein? Erstens sind wir in unser Elternsein hineingewachsen. Sätze wie: “Das sind meine Kinder” oder “Ich bin Mutter von zwei Kindern” fühlten sich im ersten Jahr noch ganz fremd in meinem Mund an. Mittlerweile bin ich ganz selbstverständlich Mama und wir vier sind, wirklich und wahrhaftig, eine Familie.

Et bliev nix, wie et wor

Wir haben uns eingespielt, wissen meistens, was zu tun und einzukaufen ist, packen die Wickeltasche im Schlaf und haben immer meistens ein paar Bananen dabei. Wir wissen, durch welche Ladentüren der Doppelkinderwagen passt, wann wir Zeit für ´nen Kaffee haben (und wann besser nicht) und wo die Spielplätze mit den Babyschaukeln sind.

Zweitens lernen wir unsere Kinder jeden Tag ein bißchen besser kennen. Wir staunen darüber, daß so kleine Wesen jetzt schon so verschieden sein können. Wir kommunizieren mit ihnen über Mimik, Laute und Gestik und freuen uns mit ihnen gemeinsam, wenn sie sich uns verständlich machen können. Wir wissen, welche gerne wild herumgewirbelt wird und welche am liebsten allein auf Entdeckungsreise geht. Jeden Tag zeigen sie uns uns ein Stück mehr von sich und entwickeln sich zu willensstarken kleinen Persönlichkeiten.

Drittens haben wir gelernt loszulassen, die beiden machen zu lassen und sie auch mal vertrauensvoll in andere Hände abzugeben. Spätestens seit sie in den Kindergarten gehen, sind wir überzeugt, dass es uns allen gut tut, das Mutter-Vater-Kind-Universum um die liebevollen Erzieherinnen und liebestollen Großeltern zu erweitern. Das Wissen, dass die zwei es auch eine Weile ohne uns aushalten wird uns jeden Tag durch zwei zufriedene Kindergartenbabies bestätigt. Mitzubekommen, wie sie mit anderen Kindern und Erwachsenen interagieren, wie eigenständig sie schon sind und wie sie sich auch anderen verständlich machen können, macht mich wirklich stolz! Und dass sie im Kindergarten auch gleich noch eine dritte Sprache im Alltag meistern, ist etwas ganz besonderes. Unglaublich, dass sie jetzt schon deutsch, spanisch und katalanisch verstehen!

Viertens können sie sich auch mal ein paar Minuten selbst beschäftigen. Zu Hause wird konzentriert gehämmert, Bücher angeschaut, die Puppenkiste ausgeräumt und eifrig “Wäsche sortiert”. Sie sind mobil und holen sich das, was sie gerade interessiert. Sie suchen natürlich noch häufig meine Nähe, wollen gestillt werden oder möchten, dass ich mit ihnen spiele. Nach einer Weile ist es dann aber völlig in Ordnung für sie, wenn ich aufstehe, einen Kaffee trinke oder ein bißchen aufräume. Hinter dem großen oder kleinen Bildschirm zu verschwinden ist allerdings tabu, das mögen sie verständlicherweise garnicht. Laptop und Handy versuche ich aber sowieso so selten wie möglich in ihrer Gegenwart zu benutzen. Wie auch immer, in Punkto Selbstständigkeit hat uns das vollendete erste Lebensjahr ein großes Plus mitgegeben.

Das alles zusammen erleichtert unseren Alltag enorm. Weniger anstrengend ist es dadurch allerdings nicht – aber irgendwie wuppen wir das jetzt. Das wichtigste dabei: Wir müssen nicht alles richtig machen. Und die Kinder erst recht nicht. Wir haben uns von unrealistischen Idealen verabschiedet (vor allem am Esstisch) und lassen die Tage in einer Mischung aus Improvisation und überlebenswichtigen Ritualen auf uns zu kommen. Irgendwie geht´s immer.

Tage, an denen wir uns einfach nur so durchhangeln und versuchen, uns gegenseitig an Müdigkeit zu übertrumpfen, gibt es immer noch. Wenn die Kinder krank sind. Wenn einer von uns einfach nicht mehr kann. Dann kommen wir als Eltern und als Paar an unsere Grenzen. Wir haben uns schon mehrmals gegenseitig zum Teufel (und wieder zurück) gewünscht… Schlecht gelaunt murmeln wir uns dumme Ratschläge zu oder schachern wie zwei Marktweiber um ein paar freie Minuten. Der Mann hat mir schon gestanden, dass er früher nie verstehen konnte, wie sich zwei frischgebackene Eltern trennen können – jetzt könne er es zumindest nachvollziehen. Und auch in meinem Kopf meldet sich ab und zu eine verbiesterte Hexe zu Wort: “Wie, der kann jetzt nicht mehr?! Ha! Da komm ich doch als Alleinerziehende besser klar!” (Käme ich sicherlich nicht, großer Respekt für alle alleinerziehenden Mütter und Väter!) Manchmal räumen wir auch nur mit grimmigen Gesicht schweigend gemeinsam auf und sparen uns jedes Wort, weil wir wissen: Eigentlich sind wir ja garnicht sauer aufeinander, sondern beide einfach nur todmüde. Dann reißen wir uns noch zu einem “Gute Nacht, mein Schatz” zusammen und fallen ins Bett. Solche Tage vergehen zum Glück auch 🙂

Jetzt sind wir also selber mit allen Wassern gewaschene und erprobte Zwillingseltern und können allen, die da noch kommen, sagen: “Es wird nicht alles besser, aber alles wird gut!”.

Tschüss, Erwachsenenwelt!

Früher dachte ich großspurig: Also, ich werde sicher nicht zu den Eltern gehören, die spurlos verschwinden, sobald die Babies da sind. Na-ha-ha-hain, ich werde auch mit Babies Teil des Erwachsenenkosmos bleiben. Heute freue ich mich über Babies, die pünktlich im Bett sind – und meistens bleibe ich gleich daneben liegen. Wer hätte gedacht, dass es so verdammt schwierig ist, Kinder in den Alltag zu integrieren – oder eher, den Alltag mit Kindern irgendwie hinzubekommen.

Sobald die Babies da waren (und eigentlich schon in den letzten Schwangerschaftswochen) verließ ich die Erwachsenenwelt und trat ein ins Mama-Rentner-Hundeherrchen-Universum. Während ich die freie Zeit in den letzten Schwangerschaftswochen sehr genoss und voller Vorfreude auf die Babies war, hatte ich doch nicht damit gerechnet, als Mama mit zwei Babies so viel alleine zu sein. Auf einmal hockte ich den ganzen Tag mit den beiden zu Hause und zählte die Stunden, bis der Mann von der Arbeit kam. Nie waren die Tage zäher, dabei flogen die Wochen nur so dahin. Ab und an schielte ich neidisch auf die Einlingsmamis, die mit ihrem Tragebaby mal flugs aus dem Haus waren, während ich noch den Doppelkinderwagen die Treppe hinunterwuchtete.

Unser Leben als Höhlentierchen

Die ersten Wochen mit den Babies sind wir also, wie alle Eltern wahrscheinlich, erstmal untergetaucht. Der Mix aus Schlafmangel, Glückshormonen und Adrenalin hätten alle ernstzunehmenden Gespräche sowieso unmöglich gemacht. Jegliche Aufmerksamkeit wurde von unseren zwei neuen Mitbewohnerinnen absorbiert. Wie alle Säugetiere habe ich mich in dieser Zeit vor allem mit den Babies zu Hause eingemummelt und meine schützende Höhle eher selten verlassen. Der Mann streifte bisweilen auf der Jagd nach Essen durch die Straßen und lungerte übermüdet in Ämtern herum.

Als wir wieder zurechnungsfähig waren, haben wir uns dann mehr und mehr vor die Tür gewagt und zahlreiche sommerlich laue Nachmittage im Café zwei Straßen weiter verbracht. Weiter trauten wir uns am Anfang irgendwie nicht. Die schützende Höhle war im Zweifel durchdringenden Doppelgeschreis in drei Minuten Laufschritt zu erreichen, außerdem gab es dort andere Eltern. Die waren schon richtige Profis und nahmen mir meine anfängliche Still-Schüchternheit. Dank der anderen Stillmamis habe ich mich gleich viel wohler gefühlt. Gegen sieben Uhr abends klatschten wir mit den eintreffenden kinderlosen Freunden kurz ab und gingen nach Hause. Schön war das.

Danach gab es eine Phase, in der wir abends ziemlich oft draußen essen gingen, die Sommernächte waren so warm und die Babies hatten sowieso noch keinen richtigen Schlafrhythmus. So gab es wenigstens ab und zu etwas leckeres zu essen. Unsere Kochkünste haben ja, seit die Babies da sind, rapide abgenommen (es wird aber wieder besser).

Tja, und dann kam dieser ominöse Rhythmus und hat uns Abends nach Hause verbannt. Interaktionen mit anderen erwachsenen Menschen haben sich also weitestgehend auf tagsüber verlagert. Diese beschränkten sich für mich lange Zeit auf ein munteres Zunicken mit anderen Zwillingseltern und Zwillingsphrasendreschen mit “netten älteren Damen” beim Spaziergang. Darum freue ich mich auf den Sommer, weil sich dann alles Leben wieder nach draußen verlagert und man sämtliche Freunde und Bekannte in den Bars und Cafés oder am Strand trifft, mit oder ohne Kinder.

Zeit für mich

Die Male, die ich während der Baby-Auszeit ohne Babies unterwegs war, kann ich an einer Hand abzählen: Einer Freundin am Computer geholfen, beim Supermarkt, beim Friseur, einmal sommerschön machen bei der Kosmetikerin und einmal duschen, ohne das jemand im Haus war. Jetzt sind die zwei nachmittags im Kindergarten und ich habe die ersten Tage wirklich genossen. Während der Eingewöhnung haben wir uns mit dem Laptop ins Café nebenan gesetzt und das erste Mal in Ruhe einen Kaffee getrunken, zu Mittag gegessen und uns dann auf die Babies gefreut.

Und damit ist diese besondere, ausschließliche Babyzeit auch schon wieder vorbei. Habe ich die Zeit genossen? Ja! Bin ich ein bißchen wehmütig? Ja! Gefühlt habe ich die beiden vorgestern geboren, gestern haben sie sich das erste Mal auf den Bauch gedreht und heute können sie schon fast laufen! Bin ich froh über meine wiedergewonnene Zeit für mich? Auch! Und ich genieße umso mehr die Momente, die ich mit den beiden zusammen bin ♥

Zehn Gebote aus zehn Monaten Zwillingsmama-Dasein

1. Du sollst nicht duschen!

Und wenn, dann kannst Du froh sein, wenn du die Spülung ansatzweise wieder aus den Haaren waschen konntest. Kämmen is jedenfalls nicht mehr, schließlich musst Du zwei Babies mit akuter Mamitis betüdeln.

2. Du sollst neben uns keine anderen Interessen haben

Das ist einfach, weil deine Aufmerksamkeitsspanne vor lauter Hormonen und Stilldemenz sowieso nicht mehr für wirkliche Gespräche oder andere anspruchsvolle Tätigkeiten reicht. Die ständige Müdigkeit tut ihr übriges dazu. Instinkt, übernehmen sie!

3. Gedenke des Schlafes: Halte ihn heilig

Vor allem deinen. Dann den deiner Babies. Der Mann schläft sowieso durch, auch wenn ein schreiender Winzling neben ihm liegt.

4. Fünf Tage wirst Du alleine mit den Babies deine Arbeit tun.

Dann kommen zwei wunderbare Tage, an denen der Mann da ist und alles wird etwas fluffiger. Vor allem kannst Du in Ruhe duschen.

5. Ehre deine Eltern, deine Schwiegereltern, Verwandte, Freunde und Bekannte.

Denn sie bringen sie Dir Essen, Geschenke, helfen beim Wäsche waschen und bestaunen Deine Babies. Längeren Besuch kann man gut für eine Dusche nutzen (mit Spülung UND eincremen!).

6. Du sollst nicht begehren deines nächsten Eis.

Hol dir selber eins. Oder nach was auch immer Dein Stillhunger verlangt. Nie wieder konnte ich so viel essen und dabei abnehmen. Nach zehn Monaten wurden die (saubequemen) Schwangerschaftshosen wieder gegen meine “normalen” Jeans ausgetauscht.

7. Du sollst deinem Mann hin und wieder ein Lächeln schenken.

Es bricht mir immer noch das Herz, wenn ich daran denke, wie mein Mann mich einmal glücklich anlachte, weil er dachte ER sei gemeint als ich liebevoll in seine Richtung schielte. Er hatte ein Baby auf dem Arm.

8. Sei lieb zu deinem Mann ( nur lächeln reicht nicht).

Er bringt Dir jeden morgen ein Croissant zum Frühstück, hat sich die ersten vier Wochen aufopferungsvoll um dich und zwei Babies gekümmert, bringt den Müll raus, räumt das alltägliche Chaos auf und kocht Dir leckere Tiefkühlpizza. Und selbst wenn er noch so toll mit einem Baby spielt, ist Mama zur Stelle, wird er gnadenlos ignoriert.

9. Du sollst dich an falsche Empfehlungen, dumme Sprüche und nervige Kommentare gewöhnen.

Du wirst sie alle hören, mehrmals: Von “Oh, Zwillinge!” über “Schlafen sie schon durch?” bis hin zu “wenn Du sie immer gleich auf den Arm nimmst, gewöhnt sie sich noch dran!” oder “lass sie im Kinderwagen ruhig mal schreien, sonst nutzen sie das aus und wollen immer gleich wieder raus” oder oder oder oder oder *augenverdreh

10. Du sollst nicht nach dem verlangen, was Du nicht hast. Sondern genießen, was Du bist.

Eine Zwillingsmama, die das Privileg hat, zwei kleine Wesen gleichzeitig aufwachsen zu sehen. Manchmal denkt man, “jupp, nur ein Baby zu haben muss ja extrem entspannend sein”, vor allem wenn gerade eines schläft. Mütter von Einzelbabies haben mir aber glaubhaft versichert, dass es auch nicht viel flauschiger zugeht als bei uns. Und die bekommen kein doppeltes Lächeln zurück! <3

Vereinbarkeitsbrei

Es gibt Tage, an denen es mich einfach erwischt. Tage, an denen alles super gelaufen ist, auch wenn der Mann mal länger arbeiten musste. Wir waren draußen (die Babies und ich), wir hatten Spaß (die Babies und ich) und es gab Essen zu den richtigen Essenszeiten (vor allem für die Babies). Tage, an denen alles gepasst hat und ich ein bißchen stolz auf mich war, den Zwillingsalltag so gut zu meistern.

Dann liegen die Babies friedlich schlafend im Bett, das Wohnzimmer sieht nicht mehr nach Kindergarten aus, der Mann und ich genießen beim Abendessen die ersten ruhigen Minuten und wusch! öffnen sich die Schleusen und ich sitze schniefend am Tisch und finde alles doof.

Naja, alles nicht. Aber die Unvereinbarkeit von Berufsleben, Alltag, Familie und Ich-Sein. Das hätte ich gerne alles gleichzeitig. Überraschenderweise bin ich durch das Mama-Sein nicht zu einer Frau mutiert, deren Lebensglück einzig und allein in der Aufzucht ihrer Kinder liegt. Auch wenn mich die Zeit, die ich mit den Babies verbringe, ausgesprochen glücklich macht. Trotzdem mag ich meinen Beruf, würde gerne mal ein paar Freunde treffen und träume von echter Arbeitsteilung. Und davon, dass Kinder in den Berufsalltag aller Beteiligten integriert werden können.

Die letzten Monate hat der Mann Vollzeit gearbeitet (bis auf die ersten fünf Wochen nach der Geburt), während ich Vollzeit mit den Babies zu blieb. Weil ich Stillen wollte, hielten wir das für eine gute Idee. Und solange ich noch voll gestillt habe, war es das auch. Mit zehn Monaten schaffen es die Babies es aber auch mal eine Weile ohne mich und ein kleiner Ausflug in die Erwachsenenwelt ab und an wäre schon fein…

Arbeiten? Ja, gerne!

Vor der Babyzeit hätte ich nie gedacht, dass mir meine Arbeit fehlen würde. Ein Jahr Auszeit wollte ich bitte haben und mich ganz bewusst meinen Babies widmen. So wie in Deutschland. Das habe ich auch gemacht und sehr genossen. Jetzt denke ich, ab und zu ein kleiner Ausflug in die Arbeitswelt hätte mir sicher nicht geschadet (und unserem Geldbeutel auch nicht). Wie auch immer, zwischen allgemeiner Müdigkeit, Baby-Spaß und Wochenende-Aktionen hat es dazu nicht gereicht. Auch, weil es mir nie darum ging, die Kinder irgendwie wegzuorganisieren, um vorm Rechner hocken zu können.

Als Ganztags-Babybeauftragte erscheint mir jedoch der Gedanke, einfach so aus dem Haus zu gehen und nicht ständig von zwei Augenpaaren beobachtet zu werden, manchmal geradezu himmlisch. Dann bin ich neidisch auf des Mannes Arbeitszeiten: Alleine! Nein, mit Kollegen in einem Büro vorm Computer zu sitzen und Stunden (!) konzentriert (!!) zu arbeiten, ein Traum… Natürlich weiß ich, dass das so überhaupt nicht stimmt und die Bilder in meinem Kopf höchstens drittklassige Arbeitswelt-Stockfotos sind.

In meinen Tagträumen arbeiten der Mann und ich Teilzeit und unser Leben ist gleichwertig zwischen Arbeit, Babies und Erwachsenenalltag aufgeteilt. Ja, haha, ich weiß, das ist utopisch. Gerade hier in Spanien, wo der Mutterschutz so kurz ist und Väter erst seit 2017 einen ganzen Monat zur Geburt freibekommen. Da kann ich froh sein, dass ich die Babies nicht mit vier Monaten abstillen und in die Kinderkrippe geben musste.

Mama einsam

Eine so lange Babyzeit zu haben, sehe ich durchaus als Privileg. Fast alle anderen Mütter, die ich hier vor Ort kenne, haben spätestens nach einem halben Jahr ihre Babies bei den Großeltern gelassen oder in die Krippe gegeben.

Wenn ich den Kinderwagen samt Babies aus dem Haus habe, treffe ich auf meinen Spaziergängen an der Strandpromenade entweder joggende Mütter mit Babies unter drei Monaten, kinderwagenschiebende Großeltern oder Rentner mit und ohne Hund. Ähnliches spielt sich in den leeren Supermärkten ab. Der Kontakt zu anderen Erwachsenen ist entsprechend selten.

Zum Glück gibt es “das Internet”, wo ich auf diversen Blogs herumlesen kann und sehe, dass ich nicht alleine mit meinen Gedanken bin. Schön, dass es so viele Frauen gibt, denen es ähnlich geht, die schreiben, die twittern, die für einen da sind. Irgendwie seltsam aber auch, dass wir alle da so einzeln in unseren Wohnungen sitzen und vor uns hin schreiben.

Richtig getroffen hat mich die Mama-Einsamkeit das erste Mal nach drei Monaten, als die Babies so wahnsinnig abhängig von mir waren. Da hängt man da und kommt zu nichts, schafft es kaum zu duschen und ist quasi am dauerstillen oder so doof mit den eingeschlafenen Babies verwurschtelt, dass man da nicht wieder raus kommt ohne mindestens ein Baby zu wecken. Da dachte ich immer: Wie zur Hölle haben die das früher gemacht? Schon geistert einem der afrikanische-Dorf-Spruch durch den Kopf. Oder die steinzeitlichen vier Stunden “Arbeitszeit”, die angeblich reichen sollen, um genug Wild zu erlegen und Beeren zu sammeln. Da konnte man ja sogar noch in Ruhe Höhlenwände bemalen UND sich um die Babies kümmern!

Seit wann gibt es diese Aufteilung, seit wann wird Familie so gelebt wie heute? Unsere Lebensweise gibt es ja noch garnicht so lange. In Städten, Dörfern, auf Bauernhöfen? Wer hat sich da alles um Kinder gekümmert? Da gab es ja sicher auch Standesunterschiede. Wie haben sich Familien früher organisiert? Sollte ich irgendwann mal wieder Langeweile haben, werde ich das mal recherchieren. Bis dahin denke ich mir eine Mischung aus Großfamilie, Bullerbü und Stammesleben. So in etwa wird´s wohl gewesen sein.

Oder ich stelle mir vor, eine rotbackige Bäuerin auf Lönnerberga zu sein. Meine Kinder würden den ganzen Tag barfuss dem Knecht Wie-hieß-der-noch? hinterherrennen. Wenn sie dann endlich rennen können. Zugegebenermaßen müsste ich als Bäuerin ziemlich früh aufstehen, aber immerhin hat Michels Mama auf Lönnerberga jeden Abend Zeit, seine Streiche aufzuschreiben, also wird das schon passen (so gesehen hat sie ja quasi den Mama-Blog erfunden).

Jetzt ist meine Babyzeit bald vorbei, und ich werde langsam aber sicher wieder am Erwachsenenleben teilnehmen können. Darauf freue ich mich: Mit erwachsenen Menschen zu sprechen, in Ruhe vorm Computer zu sitzen und Pixel hin und her zu schieben. Und meine Babies machen ihre ersten Schritte in Richtung Selbstständigkeit – die Zeit, die Zeit, wie sie vergeht!

Es wäre so schön, wenn man das mit der Arbeit und den Kindern und dem Leben irgendwie unter einen Hut bekäme. Dann würde ich die Babies mit ins Büro nehmen, wo es eine Spielwiese gäbe und jeder würde sich mal ein paar Minuten mit ihnen beschäftigen. Vielleicht wäre das ja auch eine gute Methode zur Entschleunigung? Niemand müsste seine Kinder abgeben, damit er acht Stunden vorm Rechner sitzen kann, sondern alle kümmern sich gemeinsam um sie.

Und, wovon träumt ihr so?

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