Ohne allzusehr verallgemeinern zu wollen: Die Menschen hier sind sehr kinderfreundlich. Schon in der Schwangerschaft gab es allerorts Anteilnahme, jetzt sind die Babies da und wir kommen uns manchmal vor wie eine Jahrmarktsattraktion. Es braucht keinen Mäusezirkus oder Schellenäffchen, es reicht der Doppelkinderwagen!

Das kam nicht überraschend, davon haben schon mehrere Zwillingseltern berichtet. Und ich denke, dass auch in Deutschland der Gesprächsbedarf netter älterer Damen beim Anblick eines Zwillingskinderwagens deutlich steigt.

Mittlerweile habe ich schon trilliardenmal das gleiche Gespräch geführt (“Oh, Zwillinge! – Ja – Eineiig oder zweieiig? – Zweieiig – Die sehen sich aber nicht ähnlich – Nein – Ach und sie hier ist viel größer! – Ja, die wiegt fast ein Kilo mehr – Das ist aber viel Arbeit, ne? – Jepp – Aber schön! – Jaa – Alles Gute – Danke”) und freue mich trotzdem noch über die Aufmerksamkeit, die meinen Babies hier geschenkt wird.

In einem halben Jahr habe ich noch keinen Laden betreten, in dem nicht ein Augenzwinkern oder ein Späßchen für die beiden drin war. Es gibt Bauchgrabbler, Wangenkneifer und Tragetuch-Zurechtzupfer. Es gibt Teenagerjungs, die die beiden zum Lachen bringen und Verkäuferinnen, die hinter der Ladentheke hervorkommen. Es gibt Glückwünsche von anderen Zwillingseltern, Beileid von Einlingseltern und Segenssprüche von Großeltern. Von überallher hört man ein “Qué guapas!” und fröhliches Hallo.

Als wir eine Woche zu Besuch in Deutschland waren, wurden die beiden genau dreimal angelacht. Zweimal von älteren Damen und einmal von drei deutschtürkischen (kann man das politisch korrekt so sagen?) Jugendlichen. Dabei lachen meine kontaktfreudigen Babies gerne mal zuerst…In Spanien dagegen empfinde ich, dass Kinder und auch alte Menschen viel mehr Teil der Gesellschaft sind. Sie stören nicht und sie werden auch nicht ignoriert. Sie gehören einfach dazu.

Alte treffen sich nachmittags auf “ihrer” Bank in der Innenstadt, an ihrem Platz oder zum Petanca (=Boule) spielen. Außerdem werden die Großeltern viel mehr in den Familienalltag eingebunden: Opas und Omas holen ihre Enkelkinder von der Schule ab. Auf meinen Spaziergängen sehe ich stolze kinderwagenschiebende Großeltern. Es ist in vielen Familien selbstverständlich, dass beide Eltern arbeiten und abends die frisch gebadeten und satten Kinder von Oma und Opa in Empfang nehmen.

Elternzeitneid

Und da sind wir auch schon bei der anderen Seite der Medaille: Die Elternzeit beträgt nur vier Monate und die meisten Familien können sich überhaupt nicht leisten, dass nur einer arbeiten geht. Nach vier Monaten wird also abgestillt (falls überhaupt gestillt wurde) und das Baby schweren Herzens an die Omi übergeben. Wer länger Stillen möchte, muss abpumpen. Auch wenn Anfangs einige Tränen fließen, bestätigen mir fast alle Mütter: Es hat durchaus etwas für sich, ein paar eigene Stunden am Tag zu haben, und sei es auch “nur” am Arbeitsplatz. Für mich klingt das zwar plausibel, aber ich bin heilfroh, dass wir uns ein volles Babyjahr leisten können.

Mit Ablauf der vier Monate Mutterschutz (bei Zwillingen viereinhalb, also zwei Wochen mehr) gibt es kein Elterngeld mehr. Die monatlichen 100 Euro Kindergeld werden bis zum dritten Lebensjahr ausgezahlt. Für Zwillingseltern gibt es außerdem noch eine einmalige Zahlung von etwa 2000 Euro zur Unterstützung. Da schaue ich in Sinnkrisen schonmal neidisch auf meine Mädels in Deutschland mit ihrer Elternzeit und den tollen Reisen mit Mann und Baby nach Neuseeland oder sonstwohin und denke: Hätte hätte, Fahradkette…das haste jetzt davon!

Ein Jahr Auszeit ist hier ein Luxus, der bei manchen auf Unverständnis stösst. Allen voran bei der spanischen Yaya (= Omi), die ganz scharf auf “ihre Mädels” ist und mir gerne beiläufig erzählt, der Enkel ihrer Schwester hätte ja schon mit vier Monaten bei Oma übernachtet und die Mama geht schon wieder arbeiten und überhaupt, dem Baby geht es ja soo gut bei Omi…ähnlich subtil antworte ich dann, dass ich das ja nicht könnte – bei dem Thema stoßen immer wieder unsere Kulturen und Mentalitäten aufeinander.

Ein Glück wurden dieses Jahr in Spanien vier Wochen Vaterzeit eingeführt (bis letztes Jahr waren es nur zwei). Die gingen zwar wie im Flug vorbei, aber immerhin. Kein Wunder, dass die Geburtenrate in Spanien so niedrig ist. Ohne eine funktionierende Familienstruktur im Hintergrund oder als Geringverdiener ist Kinderhaben hier eine schwierige Sache. Schon komisch, dass man hier trotzdem oft den Eindruck hat, hier wimmelt es überall von Kindern.

Das liegt sicher auch am guten Wetter, das Leben findet einfach viel mehr auf der Straße statt. Aber bestimmt auch daran, dass Kinder eben keine Störenfriede sind. Wenn um fünf Schule aus ist, sieht man die Eltern auf einer Terrasse Kaffee trinken während nebendran so ein Wirrwarr aus Rollern, rennenden Kindern und fliegenden Bällen herrscht, dass ich mich manchmal kaum mit dem Kinderwagen über den Platz traue. Niemand weist die laut rufenden Kinder zurecht, sondern alle laufen kreuz und quer einfach drumherum. So ist das hier. Und so komme ich auch jeden Tag ein bißchen mehr hier an, seit meine Mädels da sind. Weil sie so wunderbar auf dieser Welt willkommen geheißen werden.