Meer und große Steine

Kategorie: Zwillinge

Über das Leben mit Zwillingen

Kinder, Kinder!

Ohne allzusehr verallgemeinern zu wollen: Die Menschen hier sind sehr kinderfreundlich. Schon in der Schwangerschaft gab es allerorts Anteilnahme, jetzt sind die Babies da und wir kommen uns manchmal vor wie eine Jahrmarktsattraktion. Es braucht keinen Mäusezirkus oder Schellenäffchen, es reicht der Doppelkinderwagen!

Das kam nicht überraschend, davon haben schon mehrere Zwillingseltern berichtet. Und ich denke, dass auch in Deutschland der Gesprächsbedarf netter älterer Damen beim Anblick eines Zwillingskinderwagens deutlich steigt.

Mittlerweile habe ich schon trilliardenmal das gleiche Gespräch geführt (“Oh, Zwillinge! – Ja – Eineiig oder zweieiig? – Zweieiig – Die sehen sich aber nicht ähnlich – Nein – Ach und sie hier ist viel größer! – Ja, die wiegt fast ein Kilo mehr – Das ist aber viel Arbeit, ne? – Jepp – Aber schön! – Jaa – Alles Gute – Danke”) und freue mich trotzdem noch über die Aufmerksamkeit, die meinen Babies hier geschenkt wird.

In einem halben Jahr habe ich noch keinen Laden betreten, in dem nicht ein Augenzwinkern oder ein Späßchen für die beiden drin war. Es gibt Bauchgrabbler, Wangenkneifer und Tragetuch-Zurechtzupfer. Es gibt Teenagerjungs, die die beiden zum Lachen bringen und Verkäuferinnen, die hinter der Ladentheke hervorkommen. Es gibt Glückwünsche von anderen Zwillingseltern, Beileid von Einlingseltern und Segenssprüche von Großeltern. Von überallher hört man ein “Qué guapas!” und fröhliches Hallo.

Als wir eine Woche zu Besuch in Deutschland waren, wurden die beiden genau dreimal angelacht. Zweimal von älteren Damen und einmal von drei deutschtürkischen (kann man das politisch korrekt so sagen?) Jugendlichen. Dabei lachen meine kontaktfreudigen Babies gerne mal zuerst…In Spanien dagegen empfinde ich, dass Kinder und auch alte Menschen viel mehr Teil der Gesellschaft sind. Sie stören nicht und sie werden auch nicht ignoriert. Sie gehören einfach dazu.

Alte treffen sich nachmittags auf “ihrer” Bank in der Innenstadt, an ihrem Platz oder zum Petanca (=Boule) spielen. Außerdem werden die Großeltern viel mehr in den Familienalltag eingebunden: Opas und Omas holen ihre Enkelkinder von der Schule ab. Auf meinen Spaziergängen sehe ich stolze kinderwagenschiebende Großeltern. Es ist in vielen Familien selbstverständlich, dass beide Eltern arbeiten und abends die frisch gebadeten und satten Kinder von Oma und Opa in Empfang nehmen.

Elternzeitneid

Und da sind wir auch schon bei der anderen Seite der Medaille: Die Elternzeit beträgt nur vier Monate und die meisten Familien können sich überhaupt nicht leisten, dass nur einer arbeiten geht. Nach vier Monaten wird also abgestillt (falls überhaupt gestillt wurde) und das Baby schweren Herzens an die Omi übergeben. Wer länger Stillen möchte, muss abpumpen. Auch wenn Anfangs einige Tränen fließen, bestätigen mir fast alle Mütter: Es hat durchaus etwas für sich, ein paar eigene Stunden am Tag zu haben, und sei es auch “nur” am Arbeitsplatz. Für mich klingt das zwar plausibel, aber ich bin heilfroh, dass wir uns ein volles Babyjahr leisten können.

Mit Ablauf der vier Monate Mutterschutz (bei Zwillingen viereinhalb, also zwei Wochen mehr) gibt es kein Elterngeld mehr. Die monatlichen 100 Euro Kindergeld werden bis zum dritten Lebensjahr ausgezahlt. Für Zwillingseltern gibt es außerdem noch eine einmalige Zahlung von etwa 2000 Euro zur Unterstützung. Da schaue ich in Sinnkrisen schonmal neidisch auf meine Mädels in Deutschland mit ihrer Elternzeit und den tollen Reisen mit Mann und Baby nach Neuseeland oder sonstwohin und denke: Hätte hätte, Fahradkette…das haste jetzt davon!

Ein Jahr Auszeit ist hier ein Luxus, der bei manchen auf Unverständnis stösst. Allen voran bei der spanischen Yaya (= Omi), die ganz scharf auf “ihre Mädels” ist und mir gerne beiläufig erzählt, der Enkel ihrer Schwester hätte ja schon mit vier Monaten bei Oma übernachtet und die Mama geht schon wieder arbeiten und überhaupt, dem Baby geht es ja soo gut bei Omi…ähnlich subtil antworte ich dann, dass ich das ja nicht könnte – bei dem Thema stoßen immer wieder unsere Kulturen und Mentalitäten aufeinander.

Ein Glück wurden dieses Jahr in Spanien vier Wochen Vaterzeit eingeführt (bis letztes Jahr waren es nur zwei). Die gingen zwar wie im Flug vorbei, aber immerhin. Kein Wunder, dass die Geburtenrate in Spanien so niedrig ist. Ohne eine funktionierende Familienstruktur im Hintergrund oder als Geringverdiener ist Kinderhaben hier eine schwierige Sache. Schon komisch, dass man hier trotzdem oft den Eindruck hat, hier wimmelt es überall von Kindern.

Das liegt sicher auch am guten Wetter, das Leben findet einfach viel mehr auf der Straße statt. Aber bestimmt auch daran, dass Kinder eben keine Störenfriede sind. Wenn um fünf Schule aus ist, sieht man die Eltern auf einer Terrasse Kaffee trinken während nebendran so ein Wirrwarr aus Rollern, rennenden Kindern und fliegenden Bällen herrscht, dass ich mich manchmal kaum mit dem Kinderwagen über den Platz traue. Niemand weist die laut rufenden Kinder zurecht, sondern alle laufen kreuz und quer einfach drumherum. So ist das hier. Und so komme ich auch jeden Tag ein bißchen mehr hier an, seit meine Mädels da sind. Weil sie so wunderbar auf dieser Welt willkommen geheißen werden.

Plötzlich Ruhe! Wenn die Zwillingsbabies schlafen.

Ab und zu gibt es diese Momente (plural, jawohl!), in denen ich dasitze und denke: Huch, beide Babies schlafen! Was mache ich nun? Auf einmal gibt es da ein Zeitfenster in unbekannter Größe, dass ich vollkommen frei füllen kann. Aber, womit?

Ein Ratschlag den ich eine Trillion Mal gehört habe ist: Schlaf, wenn die Babies schlafen. Das geht ja nun mal gar nicht. Nachts, ja, gerne! Aber tagsüber? Da schlafe ich nur mit, wenn ein bis zwei Babies auf oder an mir dran liegen und ich mich nicht bewegen kann, ohne sie zu wecken. Denn nach dem Schlafen kommt immer ein großes ODER: Ich könnte jetzt schlafen, oder ich mache xyz.

“Na, dann tu doch mal was für Dich!”

Würde ich ja gerne, aber ich kann ja jetzt schlecht zum nächsten Spa abhauen. Ach, was sag ich da, zum Friseur wäre auch schick. Für solche Abenteuer brauche ich einen Babysitter oder eine nette Begleitung, die mir die kleinen Racker in den entscheidenden Momenten abnimmt. Oder anreicht, je nachdem.

Es gibt außerdem eine Fantastillion mehr Sachen, die endlich mal wieder tun könnte. Realistisch betrachtet reduzieren sich meine Möglichkeiten aufgrund meiner unbedingt erforderlichen Anwesenheit und der unbekannten Babyschlaf-Zeit X jedoch auf eine übersichtliche kleine Auswahl.

Liegen die Babies sicher? Na, los geht´s: An aller-aller-erster Stelle steht duschen. Laaaaaaange duschen. Bis der Spiegel beschlägt und ich mich fühle wie im Dampfbad. Raus aus der Dusche und zack, sind die Babies wieder wach. Aber ich fühle mich wie ein normaler Mensch, das ist einiges wert. Auch wenn ich es nicht mehr schaffe, mir die Haare zu kämmen.

Was, ich habe schon geduscht? Na gut, dann mach ich eben was anderes. Zur Auswahl stehen:

In Ruhe essen. Erfolgsquote: niedrig. Wenn das Essen fertig ist, quakt oft schon wieder jemand kleines. Klappt es aber und der Mann ist anwesend, können wir uns eines gemeinsamen Essens erfreuen. Um die Ruhe zu genießen, findet dieses meistens schweigend statt. Oder wir überlegen lange, was wir diesmal richtig gemacht haben und ob wir das wiederholen könnten. Wahrscheinlich ist es aber einfach nur Glück.

Mal schnell ein bissen aufräumen. Erfolgsquote: mittel. Halb aufgeräumt ist auch schön.

Das Internet durchlesen: Erfolgsquote: hoch. Geht auch mit schlafendem Baby auf dem Bauch oder in diesen grausamen Mama-Momenten nachts, wo Du aufwachst, nach den Babies schaust und beide selig schlafen.

Telefonieren. Erfolgsquote: Entweder sehr hoch oder sehr niedrig, je nach Gegebenheit:

a) Juhu! Beide lassen sich vom Klang meiner Stimme einlullen und schlafen selig weiter.
b) Oh, no! Während Baby eins in die Windel macht, wacht Baby zwei schreiend auf.
c) Hallo? Nein, nein, Du störst nicht. Jaaaa, dutzi dutzi, weiter schlaaaaafen! Wie geht es Dir? Moment! Ach, spannend! Was hast Du gesagt? Ach, weißt Du was, ich rufe Dich später nochmal an, wenn beide wieder eingeschlafen sind (letzteres klappt natürlich nicht).

 

Blogbeiträge schreiben. Erfolgsquote: niedrig. Kaum fange ich an zu schreiben

 

 

 

 

[Mehrere Tage dauernde Pause. Wir schweigen in Gedenken an die ungeschriebenen Blogbeiträge, die ich in meinem Kopf entworfen, ausformuliert und wieder vergessen habe.]

 

 

 

 

Ach, wisst ihr was, ich mach mir einfach einen Kaffee.

Die Geburt (Teil 2): Eine dramatische Wendung

Achtung! Wenn Du noch schwanger bist, und/oder keine Lust auf schlimme Geburtsgeschichten hast (und das hier ist wirklich schlimm und schrecklich und gar nicht schön) lies das hier einfach nicht. Ich habe lange gehadert, ob ich überhaupt hier im Blog darüber berichten soll und habe mich letztendlich dafür entschieden. Warum? Weil solche Dinge passieren. Weil es sicher noch mehr Frauen gibt da draußen, denen so etwas passiert. Weil ich hoffe, es hilft euch. Weil es hier in meinem frischen, neuen Blog an dieser sonst nicht weitergeht.

Aber, was ist denn eigentlich passiert?

Nach der Geburt hat sich meine Gebärmutter nicht wieder zusammengezogen und ich wäre beinahe verblutet. Die Ärzte haben alles versucht, um die Blutung zu stoppen. Nichts hat geholfen. Um mich zu retten, mussten sie meine Gebärmutter entfernen. Das ist verdammt beschissen und doof und ungerecht und wieso ich!?! Ein wichtiger, wunderschöner Teil von mir fehlt jetzt. Der mich jahrelang genervt hat mit seinen Krämpfen. Der aber immer für mich da war und diese zwei wunderschönen kleinen Babies so tapfer beherbergt hat. Danke, meine liebe Gebärmutter, mach´s gut. Ich werde dich vermissen, du Gute!

Jetzt bin ich aber gerade so sehr glücklich (und beschäftigt!) mit meinen beiden, dass ich gar keine Lust (und noch weniger Zeit) habe, Trübsal zu blasen. Es gibt natürlich Momente in denen ich traurig bin. Es gibt Momente, in denen ich mir wünsche, ich dürfte nochmal eine Schwangerschaft erleben. Es gibt Momente, in denen ich mich ertappe bei dem Gedanken: “Beim nächsten Mal mache ich das anders!” und mich dann daran erinnere, dass es kein nächstes Mal geben wird. Es gibt Momente, in denen ich bereue, nicht gleich in dieser ersten und einzigen Schwangerschaft alles genauso gemacht zu haben, wie ich es eigentlich wollte.

Vielleicht ist das die wichtigste Lektion, die ich hieraus gelernt habe: Mach alles gleich so, dass es für dich gut und richtig ist. Das Leben gibt einem oft genug nur diese eine Chance.

Wo waren wir stehengeblieben?

Es ist geschafft, meine Mädchen sind da! Erleichtert und glücklich warte ich darauf, dass ich aus dem OP-Saal komme. Irgendetwas stimmt allerdings nicht. Besorgte Gesichter, jemand drückt auf meinem Bauch herum. Ist das alles Blut, was da so schwellartig aus mir herausfliesst? “Das hört nicht auf”, sage ich. Die Ärztin an meiner Seite nickt stumm.

Es wird zunehmend hektischer, alle reden durcheinander und rennen aufgeregt hin und her. Die Blutung muss gestoppt werden! Eine Bluttransfusion wird bestellt. “Du musst jetzt schlafen” sagt jemand und ich bekomme eine Atemmaske aufgesetzt. Die nette junge Frau von vorhin sagt mir, ich soll an meine Babies denken – und dann bin ich erstmal weg.

Als ich aufwache, liege ich in einem grau-piepsenden Zimmer und schaue auf eine Wanduhr. Es ist halb sechs Uhr morgens, da habe ich ja doch eine Weile geschlafen. Ich bin voll verkabelt und mein Hals kratzt. Mein Freund steht am Bettende. Es ist nicht halb sechs Uhr morgens, sondern abends. Irgendetwas ist passiert. Ich liege auf der Intensivstation.

Die nächsten Stunden verbringe ich im Dämmerzustand. Ab und zu kommt ein Pfleger herein, schaut auf die Geräte, dreht an dem Rädchen vom Tropf und geht wieder heraus. Durch die offene Tür höre ich die Belegschaft über eine abewesende Kollegin lästern und ich fühle mich ein bißchen wie in einer Arztserie. Zwischen Schlafen und Wachen kommt mein Freund alle paar Stunden zu mir und zeigt mir Fotos von den Babies, die mich jedesmal zum Weinen bringen. Ich will hier raus und zu ihnen, sofort! Was ist passiert?

Wann kam die Ärztin, um mir alles zu erklären? Noch in der gleichen Nacht? Jedenfalls sitzt sie irgendwann mit meinem Freund an meinem Bett und spricht, aber das Gesagte kommt kaum bei mir an. Hat er mir vorher schon gesagt, dass ich viel Blut verloren habe? Tatsache ist, dass ich nach der Geburt fast die Hälfte meines Blutes verloren und mindestens sechs Bluttransfusionen bekommen habe. Während mein Freund mit den Babies auf mich wartete, wurde im OP um mein Leben gekämpft.

Die erste Nacht ihres Lebens verbrachten unsere Mädchen mit ihren Großeltern. Mein Freund hat in dieser Nacht auf einen Schlag unheimlich viel Verantwortung übernehmen müssen. Für unsere Babies, für mich und für uns. Er verbrachte die ersten Stunden nach der Geburt in großer Unsicherheit, ob ich überleben würde. Er musste meine Eltern in Deutschland anrufen und ihnen erklären, dass es mir nicht gut ginge, in einer Sprache, die nicht die seine ist. Er rief seine Eltern zu Hilfe, damit er bei mir sein konnte, so oft er zu mir durfte.

Fast einen Tag lang gab es keine Entwarnung, niemand, der ihm sagen konnte: Sie schafft das.

Und dann, endlich, bin ich aufgewacht.

Die Geburt (Teil 1): Meine Zwillingsmädchen sind da!

Meine Babies liegen neben mir auf dem Sofa und machen Siesta. Die letzten Wochen sind rasend schnell vergangen, obwohl die Tage schlaftrunken dahinschlichen. Ich blicke zurück auf eine turbulente Geburt, in einem anderen Land und mit gleich zwei Happy Ends.

Die letzten Schwangerschaftswochen

Mein Bauch wuchs und wuchs und konnte einem wirklich Angst machen. Meine Mädchen hatten kaum noch Platz darin, Juni drückte ihren Hintern heraus und machte aus meinem ehemals runden Bauch einen unförmiges riesiges Etwas.

In diesen letzen Tagen der Schwangerschaft hätte ich mir etwas mehr Betreuung gewünscht: die Kontrollen waren weiterhin “nur” einmal wöchentlich und der Arzt wollte eine weitere Woche abwarten, bevor über eine Einleitung entschieden würde. Jeden Tag hoffte ich, dass sie sich auf den Weg machen. Anzeichen für eine bevorstehende Geburt gab es allerdings keine, der Bauch wurde immer größer und ich schleppte mich weiter durch die Welt.

Ihr Kinderlein, kommet!

Zwischen Spazierengehen und beckenkreisend auf dem Gymnastikball sitzen zogen sich die letzten Tage dahin. Nichts passierte. Also setzte ich mich doch nochmal an den Rechner und erledigte allerlei liegengebliebenen Kleinkram. Vielleicht wären wir drei erst bereit, wenn wirklich alles erledigt war? Endlich verschickte ich die letzte E-Mail und hatte nun das Gefühl: Jetzt dürfen sie kommen, die zwei. Aber bitte sofort!

Am nächsten Tag war mir dann auch gleich etwas unwohl. Endlich Wehen! Unregelmäßige, manchmal schmerzhafte, gut auszuhaltende Wehen. Sehr gut auszuhalten, also auch nicht besonders ernst zu nehmen, dachte ich mir. Tagsüber war meine Schwägerin zu Besuch; um die Schwiegerfamilie nicht zu alarmieren, sagte ich erstmal nichts. Auch nicht beim abendlichen Spaziergang mit meinem Freund. Schließlich sagte ich doch was, weil es mir zu ungemütlich wurde und ich Angst vor einem Blasensprung an der Hafenpromenade bekam.

In der Nacht ging es dann genauso weiter: Wehen, ja, aber nicht so stark.

Auf dem Weg ins Krankenhaus

Nach einer unruhigen Nacht werde ich morgens um acht wach und weiß: Die kommen heute. Liegen ist ungemütlich, also stehe ich auf und frühstücke. Und da sitze ich, mit dem Kaffee in der Hand, und spüre ein ganz zartes Plopp. Von einem Moment auf den anderen bin ich hellwach, aufgeregt und nervös. Die Fruchtblase ist geplatzt! Aber Moment mal, müsste das Fruchtwasser nicht klar sein? Das ist ja rosa!! Bei mir läuten sofort die Alarmglocken: Das ist nicht die richtige Farbe, ich will so schnell es geht ins Krankenhaus.

Mein Freund hat im Geburtsvorbereitungskurs gelernt, dass man bei Blasensprung noch Zeit hat, in Ruhe zu duschen und etwas zu essen. Das möchte er nun gerne auch so umsetzen. Ich möchte los, und zwar sofort.

Also hetzen wir irgendwie angezogen zum Auto. Das Auto springt nicht an. Ein Taxi, aber sofort! Unbeeindruckt von meinem nervösen Gedrängel will mein Freund es weiter versuchen. Das kann doch nicht sein, dass das jetzt nicht anspringt…ich bin drauf und dran aus dem Auto zu springen und mir alleine ein Taxi zu rufen. Nach einer Ewigkeit von fünf Minuten werde ich erlöst, der Motor brummt und wir fahren los zum Krankenhaus.

Im häßlichen Kreißsaal

Als wir uns am Schalter melden, möchte ich sofort meine Botschaft von dem rosa Fruchtwasser an den Mann bringen. Es scheint aber niemanden zu interessieren und wir werden gemächlich Geburtsstation geführt.

Unser Zimmer ist kahl, klein, ungemütlich und hat kein Fenster. Immerhin gibt es eine Dusche und eine Toilette. Hier werden wir also die nächsten Stunden verbringen. Da hatte ich mir zugegebenermaßen mehr erhofft. Neben dem Bett, einem Stuhl, meinem Freund, der Ärztin und der Hebamme sehe ich weder Platz für den vielgerühmten Gymnastikball noch für ausgeprägtes Wehen-wegspazieren meinerseits.

Meine Beweglichkeit wird sowieso direkt eingeschränkt: Die Herztöne meiner Babies einzufangen gestaltet sich äußerst schwierig, so dass ich die meiste Zeit mit einer Hand das Messgerät festhalte. Dank Schwangerschaftsdiabetes bekomme ich später an die andere Hand einen Zugang für Insulin und Nährlösung, an Aufstehen ist also nicht mehr zu denken. An dieser Stelle verabschiede ich mich endgültig von meinem Geburtsplan.

Nebenan gibt es eine weitere Geburt. Ansonsten ist es ruhig. Durch die offene Tür hören wir die Belegschaft quatschen.

Ein langer Tag

Eine ganze Weile passiert nichts. Oder besser: Es passiert so einiges, aber die Geburt will nicht voran gehen. Erst wird mir eiskalt, und die Hebammen holen mir eine Wärmflasche und Decken. Darin eingemummelt liege ich mit klappernden Zähnen im Bett, dann möchte ich die Decke so schnell wie möglich wieder loswerden. Mir ist heiß! Die Wärmflasche wird durch einen nassen Lappen auf der Stirn ersetzt, den mein Freund geduldig wendet und wässert. Wenn das Fieber nicht heruntergeht, erklären die Ärzte, wollen sie einen Kaiserschnitt machen. Das kommt ja mal gar nicht in Frage!, denke ich mir. Und tatsächlich geht das Fieber wieder herunter, die Lage beruhigt sich.

Meine Wehen bleiben aber unregelmäßig und sind anscheinend nicht besonders stark (obwohl sie schon ordentlich weh tun). Es gibt also das gefürchtete Oxytocin. Als das wirkt, schmerzt es wirklich. Und wie! In der Hoffnung eine gute Position für, mit, gegen die Schmerzen zu finden, kämpfe ich mit dem Bett und verliere. Nie hätte ich gedacht, dass ich die Schmerzen so schlecht aushalte, aber als mir die PDA angeboten wird, will ich sie sofort, bitte! Mein Freund steht daneben und insistiert: Du wolltest doch gar keine PDA… Mir ist das egal, es soll einfach nicht mehr weh tun.

Als der Schmerz nachlässt, fühle ich mich wunderbar. Entspannt im Bett liegend benachrichtige ich meine Familie, dass die beiden auf dem Weg sind. Seltsam, so dazuliegen, ohne etwas zu spüren. Ich schlafe ein. Mein Freund fühlt sich nutzlos und beobachtet den Wehenschreiber. Ab und zu kommt die Ärztin und kontrolliert den Muttermund, wir machen gute Fortschritte. Ich freue mich auf die beiden. Die Geburt nebenan ist schon vorbei, wir hören ein Baby schreien. “Bald kommen unsere!”, denken wir.

Jetzt sind wir die einzige Geburt des Tages und haben somit sozusagen VIP-Status. Die diensthabenden Ärzte und Hebammen kommen immer mal wieder hereinspaziert, eine Zwillingsgeburt ist ja recht selten; außerdem scheinen sie sich zu langweilen. Und so werden wir heute von zwei Ärzten und vier Hebammen betreut.

Kurz vor zwölf: Kaiserschnitt

Über den Tag habe ich mein Zeitgefühl vollkommen verloren, aber seit dem Blasensprung sind schon einige Stunden vergangen und es ist Abend geworden.

Der Muttermund ist bei 10 cm und die Herztöne von Kind zwei scheinen unregelmäßig zu sein – die Babys müssen raus. Wir stellen die PDA ab, damit ich mehr Gefühl fürs Pressen bekomme. Aus irgendeinem Grund geht es nicht voran, obwohl die Ärztin schon das erste Köpfchen erfühlen kann. Was ist da los? Schon ist es elf Uhr nachts und die Babys sind immer noch nicht da.

Kurze Beratung der beiden Ärzte, Entscheidung für einen Kaiserschnitt. Ich bekomme Angst, der Gedanke, bei der OP wach zu sein macht mich nervös. Gleichzeitig möchte endlich meine beiden Babys im Arm halten. Jetzt geht alles ganz schnell. Zu mehr als einem schnellen Abschied von meinem Freund im Krankenhausflur reicht es nicht, so schnell bin ich im OP. Um mich herum stehen eine Menge Menschen mit Hauben und Mundschutz, außer der Anästhesistin erkenne ich ohne meine Brille niemanden.

Zum Glück ist man auf dem OP-Tisch angeschnallt, sonst würde ich mich gleich wieder davonmachen. Beim ersten Schnitt fange ich an zu zetern: Die Betäubung wirkt nicht! Irritiert wird alles gecheckt, nein, kann nicht sein. Fühle ich wirklich was? Anscheinend nicht, denn es wird weiter geschnitten. Eine nette junge Frau (meine Hebamme? Ich Blindfisch!) hält meine Hand und warnt mich “So, was jetzt kommt, finden die meisten unangenehm.” Es ruckelt komisch in meinem Bauch und Petita ist da. Mit einem zweiten Ruckeln kommt Juni. Beide werden direkt herausgebracht, zum frischgebackenen Papa.

Wenig später werden beide zu mir in den OP gebracht. Zuerst Petita, eingewickelt in eine blaue Decke, das zarte Köpfchen schaut heraus; dann Juni, noch voller Käseschmiere und mit schwarzblankem Blick. Beide bekommen ein Küsschen und schon werden sie wieder rausgetragen.

Bald kann ich ja zu ihnen!

Seite 2 von 2

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén

Klicken Sie hier, um Google Analytics zu deaktivieren.