Meer und große Steine

Schlagwort: Geburt

Die Geburt (Teil 2): Eine dramatische Wendung

Achtung! Wenn Du noch schwanger bist, und/oder keine Lust auf schlimme Geburtsgeschichten hast (und das hier ist wirklich schlimm und schrecklich und gar nicht schön) lies das hier einfach nicht. Ich habe lange gehadert, ob ich überhaupt hier im Blog darüber berichten soll und habe mich letztendlich dafür entschieden. Warum? Weil solche Dinge passieren. Weil es sicher noch mehr Frauen gibt da draußen, denen so etwas passiert. Weil ich hoffe, es hilft euch. Weil es hier in meinem frischen, neuen Blog an dieser sonst nicht weitergeht.

Aber, was ist denn eigentlich passiert?

Nach der Geburt hat sich meine Gebärmutter nicht wieder zusammengezogen und ich wäre beinahe verblutet. Die Ärzte haben alles versucht, um die Blutung zu stoppen. Nichts hat geholfen. Um mich zu retten, mussten sie meine Gebärmutter entfernen. Das ist verdammt beschissen und doof und ungerecht und wieso ich!?! Ein wichtiger, wunderschöner Teil von mir fehlt jetzt. Der mich jahrelang genervt hat mit seinen Krämpfen. Der aber immer für mich da war und diese zwei wunderschönen kleinen Babies so tapfer beherbergt hat. Danke, meine liebe Gebärmutter, mach´s gut. Ich werde dich vermissen, du Gute!

Jetzt bin ich aber gerade so sehr glücklich (und beschäftigt!) mit meinen beiden, dass ich gar keine Lust (und noch weniger Zeit) habe, Trübsal zu blasen. Es gibt natürlich Momente in denen ich traurig bin. Es gibt Momente, in denen ich mir wünsche, ich dürfte nochmal eine Schwangerschaft erleben. Es gibt Momente, in denen ich mich ertappe bei dem Gedanken: “Beim nächsten Mal mache ich das anders!” und mich dann daran erinnere, dass es kein nächstes Mal geben wird. Es gibt Momente, in denen ich bereue, nicht gleich in dieser ersten und einzigen Schwangerschaft alles genauso gemacht zu haben, wie ich es eigentlich wollte.

Vielleicht ist das die wichtigste Lektion, die ich hieraus gelernt habe: Mach alles gleich so, dass es für dich gut und richtig ist. Das Leben gibt einem oft genug nur diese eine Chance.

Wo waren wir stehengeblieben?

Es ist geschafft, meine Mädchen sind da! Erleichtert und glücklich warte ich darauf, dass ich aus dem OP-Saal komme. Irgendetwas stimmt allerdings nicht. Besorgte Gesichter, jemand drückt auf meinem Bauch herum. Ist das alles Blut, was da so schwellartig aus mir herausfliesst? “Das hört nicht auf”, sage ich. Die Ärztin an meiner Seite nickt stumm.

Es wird zunehmend hektischer, alle reden durcheinander und rennen aufgeregt hin und her. Die Blutung muss gestoppt werden! Eine Bluttransfusion wird bestellt. “Du musst jetzt schlafen” sagt jemand und ich bekomme eine Atemmaske aufgesetzt. Die nette junge Frau von vorhin sagt mir, ich soll an meine Babies denken – und dann bin ich erstmal weg.

Als ich aufwache, liege ich in einem grau-piepsenden Zimmer und schaue auf eine Wanduhr. Es ist halb sechs Uhr morgens, da habe ich ja doch eine Weile geschlafen. Ich bin voll verkabelt und mein Hals kratzt. Mein Freund steht am Bettende. Es ist nicht halb sechs Uhr morgens, sondern abends. Irgendetwas ist passiert. Ich liege auf der Intensivstation.

Die nächsten Stunden verbringe ich im Dämmerzustand. Ab und zu kommt ein Pfleger herein, schaut auf die Geräte, dreht an dem Rädchen vom Tropf und geht wieder heraus. Durch die offene Tür höre ich die Belegschaft über eine abewesende Kollegin lästern und ich fühle mich ein bißchen wie in einer Arztserie. Zwischen Schlafen und Wachen kommt mein Freund alle paar Stunden zu mir und zeigt mir Fotos von den Babies, die mich jedesmal zum Weinen bringen. Ich will hier raus und zu ihnen, sofort! Was ist passiert?

Wann kam die Ärztin, um mir alles zu erklären? Noch in der gleichen Nacht? Jedenfalls sitzt sie irgendwann mit meinem Freund an meinem Bett und spricht, aber das Gesagte kommt kaum bei mir an. Hat er mir vorher schon gesagt, dass ich viel Blut verloren habe? Tatsache ist, dass ich nach der Geburt fast die Hälfte meines Blutes verloren und mindestens sechs Bluttransfusionen bekommen habe. Während mein Freund mit den Babies auf mich wartete, wurde im OP um mein Leben gekämpft.

Die erste Nacht ihres Lebens verbrachten unsere Mädchen mit ihren Großeltern. Mein Freund hat in dieser Nacht auf einen Schlag unheimlich viel Verantwortung übernehmen müssen. Für unsere Babies, für mich und für uns. Er verbrachte die ersten Stunden nach der Geburt in großer Unsicherheit, ob ich überleben würde. Er musste meine Eltern in Deutschland anrufen und ihnen erklären, dass es mir nicht gut ginge, in einer Sprache, die nicht die seine ist. Er rief seine Eltern zu Hilfe, damit er bei mir sein konnte, so oft er zu mir durfte.

Fast einen Tag lang gab es keine Entwarnung, niemand, der ihm sagen konnte: Sie schafft das.

Und dann, endlich, bin ich aufgewacht.

Die Geburt (Teil 1): Meine Zwillingsmädchen sind da!

Meine Babies liegen neben mir auf dem Sofa und machen Siesta. Die letzten Wochen sind rasend schnell vergangen, obwohl die Tage schlaftrunken dahinschlichen. Ich blicke zurück auf eine turbulente Geburt, in einem anderen Land und mit gleich zwei Happy Ends.

Die letzten Schwangerschaftswochen

Mein Bauch wuchs und wuchs und konnte einem wirklich Angst machen. Meine Mädchen hatten kaum noch Platz darin, Juni drückte ihren Hintern heraus und machte aus meinem ehemals runden Bauch einen unförmiges riesiges Etwas.

In diesen letzen Tagen der Schwangerschaft hätte ich mir etwas mehr Betreuung gewünscht: die Kontrollen waren weiterhin “nur” einmal wöchentlich und der Arzt wollte eine weitere Woche abwarten, bevor über eine Einleitung entschieden würde. Jeden Tag hoffte ich, dass sie sich auf den Weg machen. Anzeichen für eine bevorstehende Geburt gab es allerdings keine, der Bauch wurde immer größer und ich schleppte mich weiter durch die Welt.

Ihr Kinderlein, kommet!

Zwischen Spazierengehen und beckenkreisend auf dem Gymnastikball sitzen zogen sich die letzten Tage dahin. Nichts passierte. Also setzte ich mich doch nochmal an den Rechner und erledigte allerlei liegengebliebenen Kleinkram. Vielleicht wären wir drei erst bereit, wenn wirklich alles erledigt war? Endlich verschickte ich die letzte E-Mail und hatte nun das Gefühl: Jetzt dürfen sie kommen, die zwei. Aber bitte sofort!

Am nächsten Tag war mir dann auch gleich etwas unwohl. Endlich Wehen! Unregelmäßige, manchmal schmerzhafte, gut auszuhaltende Wehen. Sehr gut auszuhalten, also auch nicht besonders ernst zu nehmen, dachte ich mir. Tagsüber war meine Schwägerin zu Besuch; um die Schwiegerfamilie nicht zu alarmieren, sagte ich erstmal nichts. Auch nicht beim abendlichen Spaziergang mit meinem Freund. Schließlich sagte ich doch was, weil es mir zu ungemütlich wurde und ich Angst vor einem Blasensprung an der Hafenpromenade bekam.

In der Nacht ging es dann genauso weiter: Wehen, ja, aber nicht so stark.

Auf dem Weg ins Krankenhaus

Nach einer unruhigen Nacht werde ich morgens um acht wach und weiß: Die kommen heute. Liegen ist ungemütlich, also stehe ich auf und frühstücke. Und da sitze ich, mit dem Kaffee in der Hand, und spüre ein ganz zartes Plopp. Von einem Moment auf den anderen bin ich hellwach, aufgeregt und nervös. Die Fruchtblase ist geplatzt! Aber Moment mal, müsste das Fruchtwasser nicht klar sein? Das ist ja rosa!! Bei mir läuten sofort die Alarmglocken: Das ist nicht die richtige Farbe, ich will so schnell es geht ins Krankenhaus.

Mein Freund hat im Geburtsvorbereitungskurs gelernt, dass man bei Blasensprung noch Zeit hat, in Ruhe zu duschen und etwas zu essen. Das möchte er nun gerne auch so umsetzen. Ich möchte los, und zwar sofort.

Also hetzen wir irgendwie angezogen zum Auto. Das Auto springt nicht an. Ein Taxi, aber sofort! Unbeeindruckt von meinem nervösen Gedrängel will mein Freund es weiter versuchen. Das kann doch nicht sein, dass das jetzt nicht anspringt…ich bin drauf und dran aus dem Auto zu springen und mir alleine ein Taxi zu rufen. Nach einer Ewigkeit von fünf Minuten werde ich erlöst, der Motor brummt und wir fahren los zum Krankenhaus.

Im häßlichen Kreißsaal

Als wir uns am Schalter melden, möchte ich sofort meine Botschaft von dem rosa Fruchtwasser an den Mann bringen. Es scheint aber niemanden zu interessieren und wir werden gemächlich Geburtsstation geführt.

Unser Zimmer ist kahl, klein, ungemütlich und hat kein Fenster. Immerhin gibt es eine Dusche und eine Toilette. Hier werden wir also die nächsten Stunden verbringen. Da hatte ich mir zugegebenermaßen mehr erhofft. Neben dem Bett, einem Stuhl, meinem Freund, der Ärztin und der Hebamme sehe ich weder Platz für den vielgerühmten Gymnastikball noch für ausgeprägtes Wehen-wegspazieren meinerseits.

Meine Beweglichkeit wird sowieso direkt eingeschränkt: Die Herztöne meiner Babies einzufangen gestaltet sich äußerst schwierig, so dass ich die meiste Zeit mit einer Hand das Messgerät festhalte. Dank Schwangerschaftsdiabetes bekomme ich später an die andere Hand einen Zugang für Insulin und Nährlösung, an Aufstehen ist also nicht mehr zu denken. An dieser Stelle verabschiede ich mich endgültig von meinem Geburtsplan.

Nebenan gibt es eine weitere Geburt. Ansonsten ist es ruhig. Durch die offene Tür hören wir die Belegschaft quatschen.

Ein langer Tag

Eine ganze Weile passiert nichts. Oder besser: Es passiert so einiges, aber die Geburt will nicht voran gehen. Erst wird mir eiskalt, und die Hebammen holen mir eine Wärmflasche und Decken. Darin eingemummelt liege ich mit klappernden Zähnen im Bett, dann möchte ich die Decke so schnell wie möglich wieder loswerden. Mir ist heiß! Die Wärmflasche wird durch einen nassen Lappen auf der Stirn ersetzt, den mein Freund geduldig wendet und wässert. Wenn das Fieber nicht heruntergeht, erklären die Ärzte, wollen sie einen Kaiserschnitt machen. Das kommt ja mal gar nicht in Frage!, denke ich mir. Und tatsächlich geht das Fieber wieder herunter, die Lage beruhigt sich.

Meine Wehen bleiben aber unregelmäßig und sind anscheinend nicht besonders stark (obwohl sie schon ordentlich weh tun). Es gibt also das gefürchtete Oxytocin. Als das wirkt, schmerzt es wirklich. Und wie! In der Hoffnung eine gute Position für, mit, gegen die Schmerzen zu finden, kämpfe ich mit dem Bett und verliere. Nie hätte ich gedacht, dass ich die Schmerzen so schlecht aushalte, aber als mir die PDA angeboten wird, will ich sie sofort, bitte! Mein Freund steht daneben und insistiert: Du wolltest doch gar keine PDA… Mir ist das egal, es soll einfach nicht mehr weh tun.

Als der Schmerz nachlässt, fühle ich mich wunderbar. Entspannt im Bett liegend benachrichtige ich meine Familie, dass die beiden auf dem Weg sind. Seltsam, so dazuliegen, ohne etwas zu spüren. Ich schlafe ein. Mein Freund fühlt sich nutzlos und beobachtet den Wehenschreiber. Ab und zu kommt die Ärztin und kontrolliert den Muttermund, wir machen gute Fortschritte. Ich freue mich auf die beiden. Die Geburt nebenan ist schon vorbei, wir hören ein Baby schreien. “Bald kommen unsere!”, denken wir.

Jetzt sind wir die einzige Geburt des Tages und haben somit sozusagen VIP-Status. Die diensthabenden Ärzte und Hebammen kommen immer mal wieder hereinspaziert, eine Zwillingsgeburt ist ja recht selten; außerdem scheinen sie sich zu langweilen. Und so werden wir heute von zwei Ärzten und vier Hebammen betreut.

Kurz vor zwölf: Kaiserschnitt

Über den Tag habe ich mein Zeitgefühl vollkommen verloren, aber seit dem Blasensprung sind schon einige Stunden vergangen und es ist Abend geworden.

Der Muttermund ist bei 10 cm und die Herztöne von Kind zwei scheinen unregelmäßig zu sein – die Babys müssen raus. Wir stellen die PDA ab, damit ich mehr Gefühl fürs Pressen bekomme. Aus irgendeinem Grund geht es nicht voran, obwohl die Ärztin schon das erste Köpfchen erfühlen kann. Was ist da los? Schon ist es elf Uhr nachts und die Babys sind immer noch nicht da.

Kurze Beratung der beiden Ärzte, Entscheidung für einen Kaiserschnitt. Ich bekomme Angst, der Gedanke, bei der OP wach zu sein macht mich nervös. Gleichzeitig möchte endlich meine beiden Babys im Arm halten. Jetzt geht alles ganz schnell. Zu mehr als einem schnellen Abschied von meinem Freund im Krankenhausflur reicht es nicht, so schnell bin ich im OP. Um mich herum stehen eine Menge Menschen mit Hauben und Mundschutz, außer der Anästhesistin erkenne ich ohne meine Brille niemanden.

Zum Glück ist man auf dem OP-Tisch angeschnallt, sonst würde ich mich gleich wieder davonmachen. Beim ersten Schnitt fange ich an zu zetern: Die Betäubung wirkt nicht! Irritiert wird alles gecheckt, nein, kann nicht sein. Fühle ich wirklich was? Anscheinend nicht, denn es wird weiter geschnitten. Eine nette junge Frau (meine Hebamme? Ich Blindfisch!) hält meine Hand und warnt mich “So, was jetzt kommt, finden die meisten unangenehm.” Es ruckelt komisch in meinem Bauch und Petita ist da. Mit einem zweiten Ruckeln kommt Juni. Beide werden direkt herausgebracht, zum frischgebackenen Papa.

Wenig später werden beide zu mir in den OP gebracht. Zuerst Petita, eingewickelt in eine blaue Decke, das zarte Köpfchen schaut heraus; dann Juni, noch voller Käseschmiere und mit schwarzblankem Blick. Beide bekommen ein Küsschen und schon werden sie wieder rausgetragen.

Bald kann ich ja zu ihnen!

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