Meer und große Steine

Kategorie: Leben in Spanien Seite 1 von 3

Über das Leben in Spanien, Land und Leute

Unterwegs

Schon immer einmal wollte ich mit dem Zug zur spanisch-französischen Grenze bei Portbou fahren. Ich mag diese Orte, ich mag die Idee, bis zur Endstation zu fahren, um zu sehen wie es dort aussieht. Kleine oder verheißungsvoll große Städte, an denen es nicht mehr weitergeht: Norddeich-Mole, Istanbul, Portbou, Ganz-weit-weg, Fernweh. Bis hierhin wurde die Bahnstrecke gebaut, hier hört das Land auf. Oder auch: Nach diesem wichtigen Ort kommen nur noch viele kleine Orte, die nur Einheimische kennen.

Der Zug fährt von Barcelona los und die Landschaft verändert sich langsam. Nach ein paar Stunden blitzen zwischen Felsen und Bäumen die Strände der Costa Brava auf. Im Zug ist es kühl, draußen herrscht, wie überall dieses Jahr in Europa, eine drückende Hitze. Das Wasser glitzert blau und ich bekomme Lust einfach auszusteigen, aber noch sind wir nicht da.

In Portbou ist es so: Viele Menschen mit großen Rucksäcken auf dem Weg nach irgendwohin in Frankreich. Es ist etwas unübersichtlich, denn in Frankreich ist Bahnstreik. Die Frau am spanischen Schalter sagt, sie weiß nicht, ob heute überhaupt noch ein Zug über die Grenze fährt. Der französische Schalter ist nicht besetzt, die Anzeigetafeln ausgeschaltet. “Keine Panik” sollte auf jedem Reiseführer stehen (nicht nur für die der Galaxis). Aus irgendeinem Grund mache ich mir keine Sorgen, eigentlich mag ich die Situation sogar – mit den anderen Reisenden sprechen, überlegen, wie man im Zweifel weiter könnte und vor allem erst mal in das Café am Platz gehen und einen Kaffee trinken.

In der Zwischenzeit bilden sich Reisegrüppchen am “Taxistand”, besser gesagt an der Hauptstrasse. Auf der französischen Seite soll es angeblich weitergehen, mit Bus zur Not, man muss nur über die Grenze kommen. Aus den umliegenden Ortschaften kommen Taxen angerollt und haben einen guten Tag. Zugegebenermaßen wäre ich entspannter, wenn wir ohne Kinder unterwegs wären. Mit den fünfjährigen Zwillingen würden wir aber doch schon gerne heute noch in unserem Hotel ankommen. Der Mann wird nervös, also nehmen wir auch ein Taxi und fahren über die Grenze. Das war also Portbou. Viel gesehen habe ich nicht. Ein paar Schmuggler huschen über den Berg, Walter Benjamin durch meinen Kopf. Die französische Polizei hält Wache. Dann sind wir in Cerbère. Am Bahnhof blättert die Farbe von den Wänden, auf der Anzeigetafel wird der Zug planmäßig angekündigt. Erster Reisetag und schon Unsummen für ein Taxi ausgegeben, aber so ist das wohl.

Die nächste Strecke ist wieder von Endstation zu Endstation, vorbei an ein paar Stränden, durch Lagunen und Salzseen, als ob der Zug auf dem Wasser führe, wie bei Chihiro. Wir fahren vorbei an Weinbergen und Pinienwäldern und sandiger Erde. Die Namen der Örtchen, die wir durchfahren, klingen nach Sommerromanzen und Künstlerkolonien, da hinten muss ein Windsurf-Paradies sein, viele bunte Segel sieht man über das flache Meer ziehen.

Als wir in Avignon aussteigen, ist es heiß, am heißesten, wir eilen ins Hotel und bleiben dort, im Kühlen.

Immerhin haben wir am Abend noch die berühmte Brücke von Avignon gesehen.

Grundrauschen

Heute morgen hat es geregnet und die Kinder haben sich gefreut. Sie durften die gelben Gummistiefel anziehen und sind mit Papa im Bus zur Schule gefahren (“Das ist lustiger als mit dem Fahrrad”, sagt Juni.) Der Mann hat sich ein bisschen geärgert, weil ziemlich schnell die Sonne herauskam und der Bus unangenehm voll war.

Ansonsten habe ich versucht, nicht an Corona zu denken, oder nicht darüber nachzudenken, aber das klappt nicht so gut, das ist ja wie so ein Grundrauschen, das ist einfach überall. Keine Nachrichten lesen, das ginge wohl, aber ich bin nicht so diszipliniert, das alles ausblenden zu können. Immerhin gibt es immer mehr schöne Impfnachrichten, es freut mich so sehr zu hören, wenn hier und da und dort ein Elter oder beide geimpft werden, es geht doch langsam, langsam voran.

Seit letzter Woche hat hier der Frühling zugeschlagen und ich habe Heuschnupfen und vor allem Husten, was mich sehr ärgert, weil ich bis vor fünf Jahren nichts mit Allergien zu tun hatte. Der Ausflug ins Grüne vor einer Woche hat mir dann den Rest gegeben, die Nase ist schon wieder besser, aber trotzdem huste ich auf eine Weise herum, dass ich mir draußen gerne ein Schild umhängen würde “Das ist nur die Allergie!”. Beim Arzt habe ich extra nochmals nachgefragt, ob sie das sicher nicht als Corona-Symptome einstuften, aber die waren ganz entspannt. Erstens fliegt hier gerade Pollen-Hinz und Kunz durch die Luft, zweitens war ich schon einmal infiziert (auch wenn es länger als sechs Monate her ist), drittens keinen wissentlichen Kontakt und viertens keine weiteren Symptome. Trotzdem ist es blöd, so eine Allergie ist eher unschön. Außerdem vergesse ich sie die ganze Zeit und finde mich dann auf einer Brache voller Gräser und Blumen wieder oder eben in besagter Natur letzten Sonntag.

Wir haben aber schöne rote Mohnblumen gepflückt, um sie vorm Mähen zu retten und jetzt welken sie langsam, aber immer noch schön Rot auf unserem Terrassentisch vor sich hin. Laut den Kindern sind sie sogar ein bißchen gewachsen. Die beiden finden den “Garten” sehr schön, denn wir da gesammelt haben.

Wie immer sind die Mädchen herzallerliebst und zucker, kann man nicht anders sagen. Es wird gezankt, aber auch ganz wunderbar gespielt, endlich endlich!

Zur Nacht gab es heute ein seltenes Telefonat mit der Besten, wir alle haben ja dank Kindern und pipapo noch weniger Zeit, darum war das umso schöner. Und es ging nicht nur um das große C, auch wenn das wieder so grundreingerauscht kam. Wir haben uns für den Sommer in Deutschland verabredet und jetzt hoffe ich einfach mal, dass das realistisch bleibt. So lange habe ich noch nie jemanden nicht gesehen, und sie erst recht nicht.

Donnerstag

Wir hatten heute Zeit, zum Mittagessen in der Sonne zu sitzen. Solche kleinen Momente genieße ich im Moment sehr. Arbeit war heute auch gut, alles ist wieder unter Dach und Fach – wenn die Osterferien vorbei sind, bleibt der Kindergarten bleibt bis zum Sommer hoffentlich einfach mal offen, ohne Quarantäne. Das wäre schön.

Ostern ist schon verplant, das Wetter lädt zu Draußen-Begegnungen ein und der Mann muss mal wieder Menschen sehen. Das ganze letzte Jahr haben wir hauptsächlich unsere Corona-Freunde gesehen, ich habe mich dazu vielleicht vier-fünfmal mit einer (immer derselben) Freundin zusätzlich getroffen. Das reicht, um sich auszutauschen und ein paar Themen loszuwerden und ein bisschen Austausch. Dazu noch ein paar Telefonate und so komme ich mehr oder weniger gut durch diese Zeit. Da ich noch nie ein Gruppenmensch war, fällt mir zumindest dieser Teil nicht so schwer. Trotzdem fehlt mir noch mehr Input, echter, menschlicher. Im Internet herumlesen ist einerseits gut, weil man merkt, man ist nicht alleine, aber puuuh, das kann einen auch runter ziehen. Wie es wohl wird, wenn man das erste mal wieder mehr als fünf Menschen gleichzeitig sieht?

Wir sind zum Grillen eingeladen, in die Natur und mit Hühnern im Hof, das wird sicher schön für die Mädels. Da kann man auch Abstand halten. Der Mann und die Kinder können ja immer noch auf Immunität hoffen, auch wenn man nie so genau weiß, aber es beruhigt einen schon ein bisschen. Bei mir ist es jetzt bald fünf Monate her und ich wüsste ja echt gerne, ob da noch irgendeine Form von Schutz ist.

Manchmal bekomme ich Angst, dass es gar nicht besser wird, oder alles noch viel länger dauert und dass diese Zeit, deren Ende wir herbeisehnen, dann im Vergleich eigentlich als “gute Zeit” durchgehen würde. Als Corona los ging sagte mir eine Freundin während der Ausgangssperre: “Den letzten Sommer fand ich so doof, ich war so unglücklich und alles war so langweilig und jetzt merke ich erst, wie schön er trotz allem eigentlich war…”. Also versuche ich, inmitten dieser Krise weiterhin die kleinen und großen schönen Momente zu genießen und in den Tag hinein zu leben. Planen kann man ja sowieso nichts.

Morgen gibt es also Osterbäckerei mit den Kindern, da freue ich mich drauf. Junikind möchte seit Weihnachten beim Backen immer “In der Weihnachtsbäckerei” hören, also wird es so mäßig österlich.

Dienstag

Heute haben wir erfolgreich mehrere Punkte von unserer To-Do-Liste abgehakt:

  • Die Mona de Pascua ist gekauft (und vom Mann als spanischem Oster-Experten für gut befunden) worden. Juhu!
  • Kinderfahrräder wurden ausgesucht (rosa, da ließen sich die Mädels nicht von abbringen). Im Laden, wo wir die Exemplare ursprünglich gesehen hatten, waren sie ja schon ausverkauft, aber mein Mann hat keine Kosten und Mühen gescheut und noch zwei Exemplare aufgetrieben. Die Räder gibt es dann aber erst zum Geburtstag.
  • Arzttermin gemacht, mir sind so Telefonate ja immer lästig.

Einfach nur so habe ich mir bei den Besorgungen noch einen schönen Frühlings-Osterstrauß gegönnt, der laut Juni so gut nach Seife riecht. Ihr ging dann ein Licht auf, als wir ihr erklärten, das es genau umgekehrt ist und es war sehr süß.

Wo ich schon im Oster-Rausch war, habe ich noch Bastelzeugs erstanden und hoffe, mit den Kindern noch etwas Zeit zu finden. Ich wäre so gerne eine Bastelmama, aber irgendwie gehen die Tage auch so schon viel zu schnell vorbei. Spätestens Karfreitag wird gebastelt, hoffentlich.

In der Stadt bin ich auf ein paar Playmobil-Osterszenen gestoßen, die mich amüsiert haben. An Ostern werden so ähnliche Altare(?) durch die Stadt getragen, nur in lebensgroß und sehr sehr schwer.

Die Piratenhunde sind eingezogen

Buchcover - Els gossos pirata
Kinderbuch: Els gossos Pirata

Wir lesen seit letzter Woche ein sehr schönes Kinderbuch namens “Els gossos pirata” – Die Piratenhunde, und ich bin Fan. Es gibt sieben Kapitel, jedes zu einem Wochentag, heute war also “Dienstag” dran. Die Texte sind schön geschrieben, die Kapitel kurz und einfach und genau richtig zum Einschlafen. Die Piratenhunde versuchen eine Woche lang, den Dreimaster von den Kapitäninnen Herminia, Salvadora und Perpetua zu erobern um endlich an etwas zu essen zu kommen, weil ihnen die Vorräte ausgehen. Der Koch verzweifelt immer mehr, während die drei Mädchen vollkommen unbeeindruckt von dem wilden Piratengehabe der Hunde sind. Mehr verrate ich nicht 😉 Wir lesen es jetzt schon die zweite Woche, bei den Kindern kommt es also auch gut an. Ausgesucht hat sich das Buch Juni ganz alleine im Buchladen, vielleicht wird sie ja auch mal so eine Leseratte wie ich, die Spürnase für gute Bücher hat sie jedenfalls schon.

Beim Vorlesen habe ich versucht, simultan zu übersetzen, was bei diesem Buch langsam schwierig wird, zumindest wenn man den Anspruch hat, auch den Witz und den Tonfall zu treffen. Da sind die kleinen Babybücher einfacher zu erzählen-übersetzen. Heute abend habe ich das Buch dann einfach auf katalanisch vorgelesen oder eher radegebrecht, da bin ich einfach immer noch nicht flüssig. Die Kinder haben es aber anscheinend verstanden, trotz enormen deutschen Akzents.

Alles okeh, Kartoffelpüreh.

Montag

Heute kam ein Paket mit Saatgutkonfetti, das die Kinder und ich noch schnell schnell vorm Abendessen ausgesät haben, jetzt stehen also ein paar kleine Experiment-Blumentöpfe auf der Fensterbank.

Nach dem Mittagessen wollten wir heute die “Mona de pascua” für die Mädels aus der Konditorei abholen, aber huch, hat die Montags geschlossen und so haben wir eine Runde umsonst in die Innenstadt gemacht. Die Stunde, die das gedauert hat, hat mir dann bis Feierabend gefehlt, also saß ich eben noch am Rechner. Und morgen müssen wir (oder einer von uns) dann wirklich die Mona holen, sonst ist auf einmal Feiertag, man kennt das ja. Außerdem wollte ich mich beim Bastelladen vorbei und ich sehe schon, dass damit morgen wieder mindestens eine Stunde wertvolle Arbeitszeit flöten geht…nunja.

Auf dem Weg zur Konditorei kamen wir an mehreren “Mona”-Varianten vorbei, im Bild oben sieht man die Kuchen-Variante. Mein Favorit ist der weiße mit dem draufgesetzen Nutellglas 😀

Später waren wir mit den Kindern im Fahrradladen und wollten ein Rad mit Pedalen ausprobieren, das wir da letztens gesehen hatten, die waren aber schon ausverkauft. Die Firma muss erst nachbauen und das dauert länger als bis zum Geburtstag. Hat also auch nicht geklappt.

Basteln würde ich mit den Kindern auch noch gerne und so fängt diese Woche mit vielen hätte, könnte, sollte an. Montag halt.

(Mit dem Handy lässt es sich ja schrecklich schreiben hier in WP, also hoffe ich auf nicht allzuviele Tippfehler, man nehme Nachsicht bitte)

Abendstunden

Die Kinder schlafen, Freitags sind sie, wie wir, müde von der Woche. Nächste Woche sind dann schon Osterferien und da der Februar dank zweier Quarantänen betreuungstechnisch quasi nicht stattgefunden hat, bedauern wir Eltern das ein bisschen. Kindergarten gibt so einen schönen Rhythmus und die Mädels sind auch viel ausgeglichener, wenn sie sich den Tag über mit anderen Kindern austoben können.

Heute durften sie das Gruppenmaskottchen mit nach Hause bringen (erstmal gewaschen), über die Ferien werden wir nun also dessen Aufenthalt bei uns dokumentieren und am Ende Fotos in ein Heftchen kleben. Ostern steht sowas von vor der Tür, ich habe versucht ein Ei auszublasen, was nicht geklappt hat, aber anmalen werden wir ein paar. Dank Tantes Osterpaket haben wir sogar Eierfarbe zum Färben, die gibt es nämlich hier nicht.

An Ostern werden in Spanien keine Eier gesucht, sondern es gibt an Ostermontag die “Mona de Pascua” ein überdimensional großes Schokoladenei. Wir machen beides, als Auswanderin möchte man seinen Kindern doch auch seine Bräuche und Kultur zeigen, zumindest versuche ich es. Solche Festtage lassen mich immer an das Thema Integration denken und den Vorwurf, sich nicht “genug anzupassen”. Aber nur weil man in einem anderen Land lebt, legt man eben nicht seine Herkunft ab. Da ich im Alltag nicht als “Guiri” auffalle, ist es kein so großes Thema, eher etwas persönliches, im direkten Umgang mit anderen Menschen. Sobald ich spreche, hört man natürlich meinen Akzent.

Es bringt mich immerhin zum Nachdenken, vor allem denke ich an all die Menschen, die auf den ersten Blick gleich als “nicht zugehörig” wahrgenommen werden – ob sie es möchten oder nicht.

Letzten Monat habe ich “Sprache und Sein” von Kübra Gümüşay gelesen und bei twitter wird so viel erklärt, aufgeklärt und geklärt und ich merke, dass ich gar nicht immer mitkomme und oft schäme ich mich, wenn ich erkenne, ja das hast Du früher auch gefragt und gesagt, das war “normal”. Selbst jetzt merke ich manchmal beim Sprechen, nein, das hättest Du so nicht sagen dürfen oder frage mich – war das okay das so zu sagen, soll ich das ansprechen oder hat die andere Person das vielleicht gar nicht wahrgenommen und so drehe ich mich ein bisschen im Kreis.

Dabei gingen wir als Kinder schon auf eine sogenannte “Multikulti”-Schule, haben früh gelernt, dass Rassismus “blöd” ist – aber da ging es immer um körperliche Gewalt, um sichtbare Ausgrenzung, niemals um Wörter, Sätze, Sprache.

Darüber denke ich also nach, dieser Tage.

Die Pandemie läuft im Moment so nebenher und auch nicht, ab und zu schaue ich, wie die Zahlen vor Ort sind, bekomme aber viel mehr aus Deutschland mit als von hier. Irgendwie haben wir uns in einer Art Normalität wiedergefunden, in der wir ständig Risiken einschätzen, abwägen, wen man trifft (fast niemanden) und ruhige Tage ohne weitere Vorkommnisse schätzen gelernt.

Unter dieser Normalität brodelt es aber, kratze ich nur ein bisschen an der Oberfläche, merke ich, wie sehr ich mich zusammenreiße. Es ist hüben wie drüben frustrierend, dass die Wirtschaft gerettet werden soll statt Menschenleben, dass ständig mit laschen Maßnahmen um auszuhaltende Inzidenzen herumgeeiert wird und und und. “Das wird ein Marathon, kein Sprint” hieß es gleich zu Anfang. Ich bin aus der Puste, wie alle.

Persönlich vom Krisenmanagement zweier Staaten abhängig zu sein ist auch nicht so schön. Solange das Risiko zu hoch ist, kann und möchte ich nicht nach Deutschland fahren. Manchmal denke ich natürlich, komm, versuche es doch einfach. Dann schaue ich nach Flügen, rein hypothetisch, und es gibt keine Direktflüge. Und wenn? Zwei Wochen Quarantäne mit Kindern – wo? Bei meiner Familie? Und dann niemanden sehen, während ich ja eigentlich ALLE wiedersehen will? Letzten Sommer, da wäre das gegangen. Da saß aber der Schock noch so tief, da kamen uns die Zahlen so extrem hoch vor – dabei war es viel besser als jetzt (oder?). Da habe ich auf Weihnachten gehofft, im August. Jetzt hoffe ich wieder, im März, auf ein “ganz vielleicht an Weihnachten”.

Und die Kinder? Die sind so gewachsen, da sieht man erst recht, wie die Zeit rennt. Hach.

An dem Punkt kehre ich schnell wieder in meine Pseudo-Normalität zurück, lenke mich mit verkeilten Schiffen und der letztem Staffel “Homeland” ab und warte.

Screenshot SMS: Resultat negativ

Schon wieder Corona

Corona hat uns umzingelt und fiel nicht mit der Tür ins Haus, es tröpfelte nach und nach herein, zumindest schien es so am Samstag. Erst hat es Junikind erwischt, dann den Mann und Petita hat auch Symptome – nur ich bin erneut negativ getestet und somit offiziell immun.

Zwischendurch waren wir uns nämlich doch nicht so sicher: Hatte ich wirklich Corona letzten Monat? Da ich persönlich meine Symptome nicht eindeutig zuordnen konnte (“Ist das die Psyche oder Corona?”), habe ich diese Tage einfach darauf gehofft. Übers Wochenende wurde ich dann von meinem rotznasigen Corona-Kind mehrmals angeniest und viel angeatmet und siehe da: Die PCR vom Montag ist wieder negativ. Das ist die eine gute Nachricht. Die andere gute Nachricht ist, dass ich somit offiziell wieder nach draußen darf und für uns einkaufen kann, mit umgekehrten Hygiene-Regeln: VOR dem rausgehen Hände waschen und nicht beim heimkommen.

Die schlechte Nachricht ist, der Mann wurde positiv getestet, was zu erwarten war (siehe oben, rotznasiges Kleinkind), aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Bisher fühlt er sich etwas kränklich, aber er hat kein Fieber und keinen Husten, das ist schon mal gut. Ich setze im Kopf unter jeden Tag, der vergeht ein Häkchen, einen Schritt näher dran an “genesen” und einen Tag weniger krank.

Natürlich ist die Zwillingsschwester jetzt auch am Niesen. Wir überlegen also, noch einen Test mit ihr zu machen: Dafür spricht, dass wir dann ein paar Tage früher aus Quarantäne dürfen, falls positiv, und im Falle eines weiteren Corona-Falles im Umfeld (z.B. im Kindergarten) dann garnicht mehr in Quarantäne müssen, weil wir damit dann allesamt offiziell immun sind. Dagegen spricht, dass das Coronatest Nummer…sechs oder sieben? wäre und sie mittlerweile sehr sehr wütend wird, wenn wir ihr sagen, dass wir schon wieder das mit dem “palo en la nariz” machen müssen.

Ja, hier wird getestet, was das Zeug hält, und wenn ich höre, wie augenscheinlich kompliziert das teilweise in Deutschland ist, muss ich (bei allem Gejammer über die meiner Meinung nach viel zu laschen Maßnahmen) sagen, das läuft hier wirklich super. Bei jedem Verdacht wurden wir am gleichen oder Folgetag getestet, die Ergebnisse haben wir maximal nach 48 Stunden, heute kamen sie sogar per SMS.

Mittlerweile gibt es auch Antigentests, da hat man schnell ein Ergebnis, nur bei Risikopersonen und Kindern gibt es dazu noch eine Bestätigungs-PCR hinterher.

Diese Woche merkt man auch, dass die zweite Welle etwas abgeebbt ist – als ich vor einem Monat positiv getestet wurde, rief mich erst fünf Tage später ein Arzt mit sehr wenig Zeit an – diese Woche haben wir bis zu fünf Mal am Tag Anrufe bekommen: Kontaktverfolgung, Krankenschwestern…eine Ärztin hat meinen Mann heute gleich angerufen, um ihn nach Symptomen zu fragen und ein bisschen Info zu Verhalten und so weiter zu geben. Hauptsächlich sollen wir lüften, Hände waschen und versuchen, nicht zu eng zusammenzuhocken, um die Virus-Konzentration in der Luft gering zu halten. Ich versuche hier und da zu wischen, aber das ganze Spielzeug im Kinderzimmer ist eine Sysiphos-Aufgabe, oder eher Herakles in den Ställen des Augias und kein Fluss in der Nähe.

Aber im Moment bin ich schon froh zu sehen, dass die Kinder halbwegs fit sind, sie hüpfen und spielen und streiten wie gehabt und bisher ist die einzige Unannehmlichkeit das Drinnenbleiben müssen. Hoffen wir, das es so bleibt.

Keine weiteren Vorkommnisse

Vor elf Tagen hatten wir den Kontakt zu der später positiv getesteten Familie. Seitdem sind wir in Quarantäne. Seit mein Test positiv ausfiel, habe ich mich von meiner Familie isoliert.

Wenn man so viel alleine mit sich und dem Virus ist, muss man ganz schön aufpassen, nicht aus jedem Zwacken ein Symptom zu machen. Schmerzt mir der Rücken vom der wenigen Bewegung oder ist das die Lunge? Ist da ein Halskratzen? Einen Schreckmoment habe ich beim essen, bis ich mich erinnere, dass mein Mann kaum (oder kein) Salz zum Kochen verwendet. Heute bekam ich ein ganz wunderbares kleines Paket von einer Freundin mit leckerstem Lakritz, das genauso schmeckt, wie es soll. Das Halskratzen habe ich gefühlt seit März. Also durchatmen, nicht verrückt machen und einen Tag nach dem anderen abhaken.

Dieses Jahr finde ich die Tage ohne besondere Begebenheiten ja sehr entspannend. Die Tage mit einer Routine und Zeit für etwas schönes, es muss nicht aufregend sein. Nein, danke, Aufregung hatten wir für dieses Jahr genug.

Die Kinder und der Mann sind ebenso wie ich isolationsmüde, wir wollen alle wieder zurück zu einer Art Normalität. Wie die aussieht, ist nicht so ganz klar, weil sich alles ständig ändert.

In vier Wochen Kindergarten waren die beiden genau zwei Wochen vollständig da, zeitgleich mit uns ist im Moment (zufällig) auch die Kindergartengruppe in Quarantäne. Morgen gibt es PCR-Tests für alle, außer halt für uns, wir haben ja schon. Bis Montag ist die Gruppe vorerst geschlossen, und dann sehen wir weiter.

Je nachdem haben wir also eine Normalität mit und ohne Kindergarten, ganz sicher eine ohne Besuch zu Hause, davon habe ich erst mal genug. Wir leben in Spanien, da kann man im Oktober immer noch super nach draussen. Eigentlich wünsche ich mir nur, dass wir vier wieder zusammen sind, ein paar langweilige Tage zu verbringen und abends mit den Kindern einzuschlafen.

Eine Woche Isolation, nörgelt mein Selbstverbesserungs-Ich, ohne Symptome, da hättest du doch toll arbeiten können! Immer positiv denken und die Zeit nutzen! Ein paar Sachen abarbeiten ging gut, aber kreativ zu werden, war schwierig. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, habe ich die Zeit trotzdem gut genutzt, nämlich mit Sachen, für die ich seit Jahren keine Zeit mehr hatte: In Ruhe schlafen, lesen, Filme und Serien gucken, Musik hören, ein bisschen schreiben und mit guten Freunden telefonieren. Ab und zu habe ich mich pflichtschuldigst ein bisschen gestreckt und gedehnt, außerdem jeden Abend im Bad und Zimmer alle Flächen gewischt, die ich so anfasse und natürlich gelüftet. Nur jeden Tag die Bettwäsche und Handtücher zu wechseln habe ich wegen Undurchführbarkeit und Wäschebergen sein gelassen. Im Arbeitszimmer habe ich auch nicht jedes Buch und jedes Dings gewischt, sondern nur die Tische und Tastaturen.

In diesen letzten elf Tagen habe ich nur einmal mit einem Arzt gesprochen, der sichtlich wenig Zeit hatte und am liebsten aufgelegt hätte, als er hörte, ich habe keine Symptome. Ein bisschen mehr Beistand hätte ich mir schon gewünscht. Wir haben länger übers Putzen geredet als über meine Gesundheit und das weitere Vorgehen, aber na gut.

Morgens und abends soll ich in eine App meine Symptome eingeben, die keine Kopf- oder Halsschmerzen abfragt, aber dafür allgemeines Unwohlsein. Dann eben keine Symptome.

Und nun? Darf ich nach zehn Tagen wieder zu den Kindern oder nach vierzehn? Bin ich ansteckend, war ich jemals ansteckend? Eine PCR zum Abschluss wird hier nicht gemacht, erfahre ich, “Bleiben sie lieber 14 Tage isoliert.” Wir können aber alle nicht mehr, also bin ich heute zu einem privaten Labor gefahren und habe da eine PCR gemacht, morgen Nachmittag gibt’s das Ergebnis.

Hier brauchen wir also nochmal gedrückte Daumen und einen Plan B, falls der Test wieder positiv ausfällt. Das Thema Isolation würde ich gerne langsam abhaken.

Isolation Tag drei und vier.

Heute ist fast nichts passiert, ein Glück, der gestrige Tag muss bei uns allen noch sacken. Sich von der Familie so lange zu isolieren und jedes Lachen, aber auch jedes Weinen hinter der Tür zu hören ist nervenaufreibend. Gestern ist dann noch Petita mit großem Rums unsere lange Eingangstreppe runtergefallen. Anderthalb Stockwerke mit Überschlag. Ich dachte erst, meinem Mann wäre ein Koffer (was einem so in den Kopf kommt…) heruntergefallen, so laut war das.

War aber das Kind. Und ich sitze im Zimmer und höre beide Kinder weinen und würde eigentlich sofort rausstürmen, versuche aber durchzuatmen und denke/hoffe, wird schon nicht so schlimm sein. Hört sich ja immer wilder an, als es ist, sowas.

Aber irgendwie beruhigt sich keiner und ich schaue dann doch kurz aus der Tür (mit Maske) und mein Mann ist ganz bleich und dann werden wir beide etwas (sehr) laut vor Nervosität. Der Mann ruft den Krankenwagen und fragt nach, wie wir das machen sollen, mit dem positiven Test von mir und Junikind, ob sie mit ins Krankenhaus darf. Darf sie nicht, aber sie soll auch auf keinen Fall zu mir, also dürfen wir ausnahmsweise doch eine Freundin ins Haus holen, die gleichzeitig mit dem Rettungswagen eintrifft.

Die Freundin kümmert sich also um Juni und der Mann fährt mit Petita ins Krankenhaus. Und ich hocke im Zimmer und kann nichts machen. Juni sitzt immer noch schniefend auf dem Sofa und bekommt eine Umarmung von unserer Freundin. Langsam beruhigt sie sich und dann höre ich sie schließlich zusammen spielen.

Dann kommt vom Mann die Nachricht aus dem Krankenhaus, alles gut – aber Petita hat leicht Temperatur und sie würde nochmal eine PCR bekommen. Wer weiß, ob sie sich doch irgendwie bei mir angesteckt hat. Was doof wäre, weil es dann auch Juni haben könnte und die wird ja gerade von der Freundin betreut. Außerdem wurden noch eine Menge anderer Proben gemacht und geröntgt und was weiß ich, aber ein Glück, es ist alles heile geblieben. Sie sollen aber noch zur Beobachtung da bleiben, also bleibt unsere Freundin hier und kocht erst Mittagessen und dann Abendessen und bringt Juni dann noch ins Bett, weil es immer später wird.

Gegen elf kommen Petita und der Mann dann endlich aus dem Krankenhaus zurück. Alles gut, nur das Testergebnis kommt erst morgen. Meine Freundin soll sich duschen und alles waschen was sie bei uns anhatte, wenn sie nach Hause kommt und das wars erstmal.

Wir sind alle ein bisschen mit den Nerven am Ende. Ich, weil ich nichts tun kann, der Mann vom Schock und meine Freundin wegen möglicher Ansteckungsgefahr. So ein Tag war das. Erst als ich im Bett liege, merke ich, wie laut mein Herz klopft und wie angespannt ich bin. Die Nacht wird unruhig.

Tag vier.

Keine Symptome. Vor einer Woche hatte ich den Kontakt und so langsam frage ich mich, ab wann ich mich wieder als “gesund” betrachten kann. Oder wenigstens als nicht mehr ansteckend. Nach zehn Tagen ab Kontakt? Nach vierzehn? Einerseits versuche ich optimistisch zu bleiben, andererseits habe ich Angst, mich in Sicherheit zu wiegen. Wann darf ich eigentlich die Isolation aufheben? Ich vermisse die Kinder und den Mann, da hinter meiner Zimmertür.

Von gestern bin ich immer noch ziemlich k.o. Versuche ein bisschen zu arbeiten, die Kinder spielen den ganzen morgen friedlich und es kehrt ein etwas Ruhe ein. Mittags bekommen wir das negative Testergebnis von Petita und sind erleichtert. Unsere Freundin muss jetzt nicht auch noch in Quarantäne.

Trotz allem versuche ich ein bisschen zu arbeiten, um mich abzulenken. Das klappt so mäßig, weil mir viel zu viel im Kopf herumschwirrt. Eigentlich warte ich nur, dass die Tage vorbeigehen. Ich setze mich in die Sonne auf den kleinen Balkon. Eine Freundin kommt und wir brüllen kurz ein paar Updates über die Strasse, die Nachbarn sind mir jetzt auch egal, die sehen mich ja eh den ganzen Tag hier hocken und der Krankenwagen war auch ein Spektakel gestern.

Abends videotelefoniere ich mit den Kindern, was schön ist. Danach sind sie aber sehr aufgeregt und traurig und todmüde und schlafen vorm Abendessen ein. Wir fragen uns was schlimmer ist, die Isolation oder das Virus. Aber jetzt haben wir bis hierhin durchgehalten. Morgen versuche ich mal herauszufinden, wann ich wieder aus dem Zimmer kann. Die Mädels sind irritiert und verunsichert und ängstlich und ich will die beiden nur noch in den Arm nehmen.

Große Müdigkeit, aber schlafen kann ich trotzdem nicht.

Tag zwei in Quarantäne

Ich habe lange geschlafen und habe dann noch ein bisschen im Bett gelegen, bin aber spät eingeschlafen. Mein Mann stellt mir Frühstück vor die Tür, die Kinder stehen hinten im Flur und linsen herein und winken.

Im Schlafzimmer habe ich einen Kissenbezug mit Wäsche gefüllt, er ist eigentlich schon voll, nach einem Tag: Muss man jetzt wirklich alles waschen? Pyjama, Anziehsachen? Bettwäsche? Kann man sich darüber irgendwie vermehrt infizieren, die Viruslast erhöhen? Oder sind das reine Vorsichtsmaßnahmen? Ich packe meinen Pyjama und die Sachen von gestern dazu.

Nach dem Duschen wische ich nochmal ein bisschen alles mit Desinfektionsmittel ab, auch wenn ich das Bad alleine benutze.

Dann gehe ich ins Arbeitszimmer, schaue nebenbei Dokumentationen und dann bringen der Mann und die Kinder mir das Essen, die Kinder winken und freuen sich mich zu sehen. Dreieinhalb Jahre alt, aber sie verstehen alles sehr genau. “Mama, Tür zu”, sagt Petita und ich nehme den Teller und setze mich zum Essen. Eigentlich ist mir ein bisschen schlecht. Ist das jetzt wieder ein Symptom oder kommt da die Angst hochgekrochen? Ansonsten merke ich nichts. Zweimal am Tag soll ich mit einer App einen “Symptome”-Test machen:
Fieber? Husten? Schwierigkeit zu Atmen? Allgemeines Unwohlsein? Übelkeit/Erbrechen/Durchfall? Geschmacksverlust?

Infos zur Quarantäne sind per SMS und als PDF gekommen, angerufen wurde ich nicht. Gestern habe ich eine Hotline angerufen und gefragt, ob nicht die negativ getestete Restfamilie irgendwo anders unterkommen kann, aber nein (war ja auch eigentlich klar). Wie es so oft gefordert wird, würde es so viel Sinn ergeben, für so einen Fall die leerstehenden Hotels zur Verfügung zu stellen. Machen die das nicht in einigen asiatischen Ländern so?

Unsere Freunde bringen ein Paket Masken vorbei. Wir brauchen Nachschub. Und auch noch so viel anderes Zeugs, die Liste in meinem Kopf wird immer länger.

Durch die geschlossene Tür höre ich die Kinder abwechselnd spielen, lachen und weinen. Mein Mann ist angespannt und es fällt mir schwer, nicht einfach rauszugehen und ihm zu helfen, mit allem. Sich im eigenen Haus zu isolieren ist seltsam, da zu sein und doch nichts tun zu können.

Der Himmel ist blau.

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